„Blutspenden ist nicht sexy“
Nicht nur in Burscheid sind die Zahlen seit Jahren rückläufig. Strengere Indikationen fangen das nicht auf.
Burscheid. Der Blutspendedienst West des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) hat am Dienstag in einer Mitteilung „alle gesunden Bürgerinnen und Bürger“ zur Blutspende aufgerufen. „Alleine im Mai fehlen schon über 4000 Blutspenden. Damit liegen wir etwa 17 Prozent hinter dem Bedarf“, sagt DRK-Sprecher Stephan David Küpper. Entsprechende Appelle sind keine Seltenheit, der Aufruf klingt routiniert. Aber es steckt mehr dahinter.
Je viermal im Jahr bittet der DRK-Ortsverein in Burscheid und Hilgen um Blutspenden. Sieht man sich die Zahlen an, wird deutlich, dass sie seit Jahren sinken: von 725 Blutspenden im Jahr 2010 über 640 im Jahr 2013 auf 492 im vergangenen Jahr. Immer im Januar bei der Blutspenderehrung muss Vorsitzende Kirsten Kühn einen Rückgang in zweistelliger Höhe vermelden.
„Seit Mitte vergangenen Jahres sind die Zahlen noch einmal rapide zurückgegangen“, sagt Kühn. Normalerweise seien in Hilgen pro Spendetermin etwa 75 bis 80 Blutspenden zusammengekommen, beim jüngsten nur noch 45. Da mag der Umbau der B 51 eine Rolle gespielt haben, der zeitgleiche Stau auf der Autobahn oder auch die zu dem Zeitpunkt grassierende Grippewelle. Aber punktuelle oder auch saisonale Gründe sind keine Erklärung für den seit Jahren anhaltenden Trend.
„Tatsache ist, dass wir seit Jahren ein demografisches Problem haben“, sagt Sprecher Küpper. „Für jeden altgedienten Spender, der wegbricht, müssen wir drei junge Spender akquirieren.“ Denn die alten, treuen Spender kommen im Schnitt 4,5-mal pro Jahr, die jungen nur 1,5-mal. Seine plastische Erklärung: „Blutspenden ist nicht sexy. Auf dem Land funktioniert das noch, aber in den Großstädten erodieren die Zahlen bei den öffentlichen Terminen geradezu.“ Er nehme den Begriff Notstand nicht gerne in den Mund, „aber bei bestimmten Blutgruppen wie null negativ können wir das Tagessoll nicht mehr erfüllen.“
900 000 Blutspenden liefert der DRK-Blutspendedienst West jedes Jahr aus NRW, Rheinland-Pfalz und dem Saarland an die Kliniken. Vor drei Jahren lag die Zahl noch über einer Million. Zwar arbeiten Spendedienste und Kliniken längst gemeinsam daran, den Blutverbrauch zu senken. „Die Einstellung hat sich geändert. Nicht jede Transfusion ist notwendig. Die Indikationen werden strenger“, sagt beispielsweise Katrin Colinas, Chefärztin der Anästhesie und Transfusionsverantwortliche des Krankenhauses in Wermelskirchen. Von einer Notlage mag sie daher noch nicht sprechen: „Wir haben minimale Probleme bei Rhesus-negativen Konserven.“
Doch die Zahlen belegen: Die Bereitschaft zum Spenden sinkt schneller als der Bedarf. Bei Verkehrsunfällen, bestimmten Herzkreislauf- oder Tumorerkrankungen ist Blut durch nichts zu ersetzen. Gerade in der Krebstherapie sind beispielsweise Thrombozytenpräparate unerlässlich. „Wir brauchen deutschlandweit täglich 15 000 Spenden, um den Bedarf zu decken“, sagt Colinas. „Es ist absolut dringend, dass die Menschen Blut spenden. Das ist eine Gesellschaftsaufgabe.“ Mit einer Spende könne bis zu drei schwer verletzten oder erkrankten Menschen geholfen werden.
Die Menschen vor Ort davon zu überzeugen, ist eine der Aufgaben von Kirsten Kühn. „Wir vom Ortsverein sind ja nur für das Wohlfühlprogramm zuständig. Die Entnahme übernehmen die Teams vom Zentrum für Transfusionsmedizin in Breitscheid.“ Welche Schnittchen gehen und welche nicht, kann sie aus dem Effeff herunterbeten. „Aber ich weiß nicht, was wir noch machen sollen. Ich kann die Leute ja nicht mit dem Fangkorb und Lasso einfangen und dorthin schleifen.“