Der Name des Bergischen kommt aus Burg

Über Schlossherren und Dackel, über Missverständnisse, Dickköppe und die Dröppelminna.

Foto: Christian Beier

Bergisches Land. Berg und Burg und die hier lebenden „Bergeländer“, alle gehören sie zusammen, aber alle haben sie auch eine gehörige Portion von Missverständnissen im Gepäck. Nehmen wir, als ein praktisches Beispiel, den Sehnsuchtsberg aller Solinger, den Schlossberg hoch über dem jüngsten, uns 1975 zugewachsenen Stadtteil Burg und geben wir dem Schriftsteller Paul Schallück das Wort. Der Verfasser von Romanen und Hörspielen, der vier Jahre zuvor Gast einer Dichterlesung in der Klingenstadt war, wagte sich 1959 an eine bündige Erklärung. Die ging so: „Auf einem Berg in Burg balanciert ein altes Schloss; ganz früher war das Schloss eine Burg, dann wurde aus der Burg ein Schloss, und heute wird das Schloss nach dem Ort Burg Schloss Burg an der Wupper genannt“.

Da kann einem, mit Verlaub, schon ein wenig schwindelig werden und man versteht, warum amerikanische Burg-Touristen auch in unseren Breiten angeblich nach jungen Mädchen in Dirndlkleidern Ausschau halten und jedem einheimischen Tierfreund sofort einen Dackel zubilligen würden, wie es die berühmte „New York Times“ einst kurios beschrieb.

Andererseits blühen die poetischen Blumen zuhauf, die man dem „Bergischen Land“ verehrt: Für ihn als Düsseldorfer, so formulierte es Rainer Gruenter, der Gründungsrektor der Bergischen Universität in Wuppertal, sei in seiner Jugendzeit unsere Region schlicht „ein Stück Schweiz“ gewesen.

Der Literatur-Nobelpreisträger Heinrich Böll kam schon in jungen Jahren regelmäßig aus der Domstadt hinauf ins Rechtsrheinische, gestand er selbst, um dem deftigen Trubel des kölschen Karnevals zu entgehen. Kai Metzger schrieb über die rheinische Landeshauptstadt, sie „besitze ein Kopfkissen aus Bergischem Land“, Wilhelm Rees besang seine bergische Heimat „als einen grünen Trost vor den Toren der großen Städte an Rhein und Ruhr“. Und dem Bonner Sprachforscher Georg Cornelissen war das Wupperland als „die Dialektknautschzone von Nordrhein-Westfalen“ ein sehr spezielles Objekt seiner wissenschaftlichen Untersuchung.

Trotzdem wallt über dem Vielklang von Natur und Gesang, von Dröppelmina und Fachwerk, von Brezel und Heimatliebe, das offenbar unausrottbare Vorurteil, die Bewohner des „undefinierbaren Ländchens“, wie Hamburgs „Die Zeit“ uns 1975 spöttisch etikettierte, seien allesamt ausgewachsene Sturköpfe. Selbst Walter Scheel, unser heiterer und singender „Höhscheider Jong“, musste sich von Rainer Barzel, dem langjährigen CDU-Bundestagsabgeordneten, kantig als „der Dickschädel aus dem Bergischen Land“ charakterisieren lassen. Da half es selbst nicht weiter, dass der Bergische Tag in Mettmann einen publikumswirksamen lustigen Wettbewerb zum (realen) Dickkopp-Messen veranstaltete, für den auch der NRW-Ministerpräsident persönlich, der Wuppertaler Johannes Rau, mutig den Kopf hinhielt.

Und was schließlich, sozusagen in der Königsklasse der Missverständnisse, das „Bergische“ selbst angeht, ist natürlich Burg der Platz schlechthin, der zur Klärung des irritierenden Namens Hilfestellung in Fülle anbietet. Wie jedes Kind zwischen Kluse und Gosse weiß, hat das besagte Land zwar etliche dekorative Berge und Täler, aber sein Name hat — mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit — nicht allzuviel mit den diversen Hügeln und schmucken Bergrücken zwischen Gummersbach, Siegburg, Leverkusen und Haan zu tun.

Denn die ehrwürdige Stadtchronik von Burg kennt die historische Wahrheit: Das „Bergische“ dankt seine Herkunft seit dem Jahr 1101 bereits den zahlreichen Grafen von Berg, seit Graf Adolf I., dessen Familie aus dem linksrheinischen Raum zwischen Erfttal und Köln herüberwanderte, das Land regierte; auch wenn besagter Adolf in den ersten Kölner Urkunden noch mit seinem latinisierten Familiennamen „de Monte“ auftritt.

Da mag dann der frühere ARD-„Wetterfrosch“ Jörg Kachelmann auch 2007 eine sehr lockere Interpretation im Köcher gehabt haben, nämlich diese: „Die Wolken ziehen über Holland, das ist alles flaches Land. Dann kommt ein Berg, da ist das Bergische Land“. Wir jedenfalls sind und bleiben da ganz entschieden auf der anderen, der weitaus aparteren gräflichen Seite.