Deutschstunden im Lädchen

Ein Zufall hat Eigentümerin Claudia Hinrichs-Leven und den Iraker Mohanad Al-Tameemi zusammengeführt. Jetzt gibt sie ihm Sprachunterricht.

Foto: er

Burscheid. Am Anfang stand eine simple Frage. Drei Monate ist es her, dass der Iraker Mohanad Al-Tameemi plötzlich im Lädchen an der Hauptstraße auftauchte und Eigentümerin Claudia Hinrichs-Leven fragte, ob sie nicht einen Basketballverein kenne. Die 50-Jährige schaute im Internet nach und empfahl ihm die Burscheider TG.

Dankbarkeit ließ den Flüchtling aus Bagdad wenige Tage später noch einmal zurückkehren. „Ich habe ihm gesagt, wie wichtig es ist, Deutsch zu lernen“, erzählt die Geschäftsfrau rückblickend. „Als er entgegnet hat, dass das alleine so schwierig ist, habe ich angeboten, dass er mit mir einfache Wörter und Sätze lernen kann.“

Seit drei Wochen wandelt sich das kleine Fachgeschäft für Modeaccessoires nun vormittags für zwei Stunden in einen Unterrichtsraum. Wenn keine Kundschaft kommt, hocken die beiden zwischen Schals, Modeschmuck und Handtaschen und pauken Deutsch. Mal ist ein Sprachbuch Basis. Aber es kann auch ein Zeitschriftenartikel sein wie „Eine Zucker-Insel tanzt durchs süße Leben“. „Aber den haben wir irgendwann aufgegeben. Zu viele schwierige Wörter.“

Ein Zuckerleben hat der 28-jährige Iraker auch wirklich nicht hinter sich. In seiner Heimat hat er Sport studiert. Aber einen Job gab es nicht. Dann hat er nach eigener Aussage einen Supermarkt eröffnet. Aber Krieg und Terror haben ihn vertrieben. Elf Monate sei er unterwegs gewesen: von der Türkei mit dem Boot nach Griechenland, weiter über Mazedonien und Serbien bis nach Ungarn. Sechs Tage habe man ihn dort festgehalten und zu Fingerabdrücken genötigt. Dann ging es schließlich weiter nach Österreich und Deutschland. Seit neun Monaten lebt der Asylbewerber in Burscheid.

Für Hinrichs-Leven ist die zufällige Begegnung lehrreich: „Ich finde es erschreckend, wenn man seinen Lebensweg hört. Für mich ist es das erste Mal, dass es einen näheren Bezug zu dem Flüchtlingsthema gibt. Man sieht das dann mit anderen Augen und verfolgt jetzt genauer, was im Irak los ist.“

Sie könne verstehen, dass Menschen, die im Krieg leben, gehen wollen. „Wenn wir hier Krieg hätten, würde ich auch fliehen.“ Ihre eigene Mutter musste im Zweiten Weltkrieg aus Pommern fliehen. „Sie hat viel aus dem Krieg erzählt und auf einmal ist das wieder so nah.“

Al-Tameemi wartet derzeit gespannt auf die Entscheidung über seinen Asylantrag. Und eines ist ihm wichtig: ein Dank an die Deutschen für ihr Willkommen. „Deutschland gut“, das kann er schon sagen. Auf Deutsch.