Interview „Die Kölner werden wieder zurück ins Museum kommen“

Wie erleben Sie derzeit die Situation im zweiten Lockdown?

Das Stadtmodell zur Sonderausstellung „Köln 1945“ wird bis zum 18. April im Stadtmuseum gezeigt.

Foto: step/Eppinger

Dr. Mario Kramp: Für mein Team und mich ist das sehr bedrückend. Wir haben jetzt schon zweimal die Situation gehabt, dass wir eine Ausstellung intensiv vorbereitet haben, alles bereitstand, wir kurz vor der großen Eröffnung standen und dann kam der Lockdown. Das ist uns bei der Bläck-Fööss-Ausstellung im Frühjahr genauso passiert wie jetzt bei „Köln 1945“. Aber wir sehen ein, dass die aktuellen Maßnahmen nötig sind, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. 

Wie fühlt es sich an, als Direktor im leeren Museum unterwegs zu sein?

Kramp: Das erlebe ich gar nicht so häufig, da ich wie die anderen Kollegen oft aus dem Homeoffice arbeite. Wir wollen vermeiden, dass alle gleichzeitig im Museum sind und so das Infektionsrisiko steigt. Aber wenn ich in die Sonderausstellung blicke und das Stadtmodell des zerstörten Kölns sehe, das wir extra aus Schweden geholt haben, macht mich das schon sehr traurig. 

Besteht die Chance, die Ausstellung zu verlängern?

Kramp: Das ist uns gerade gelungen, die Ausstellung wird bis zum 18. April laufen. Das Problem dabei war, dass das Stadtmodell direkt im Anschluss bei einer Ausstellung in Stockholm gezeigt werden soll. Allerdings hat das Museum dort derzeit ähnliche Probleme wie wir wegen der Pandemie und so musste man die Eröffnung der Schau auf den 7. Mai verschieben. Das ist unser Glück, wir wissen allerdings nicht, ob wir auch wirklich ab dem 11. Januar wieder eröffnen können. Verschiebt es sich in Richtung Karneval oder Ostern, haben wir ein Problem. 

Worauf können sich die Besucher bei der Sonderausstellung „Köln 1945“ freuen?

Kramp: Im Zentrum steht das fünf mal fünf Meter große Stadtmodell vom zerstörten Köln. Es wurde aus Styropor für einen schwedischen Spielfilm gebaut. Dort ist es nur kurz in einer Szene zu sehen, in der ein Liebespaar über die Stadt fliegt. Eigentlich sollte Dresden als Modell nachgebaut werden. Aber da fehlten markante Punkte, wie bei uns der Dom, und so hat man sich für Köln entschieden. Das Thema der Ausstellung ist eine sehr emotional besetzte Geschichte. Das Modell steht aber nicht für sich. Im Raum projizieren wir Bilder und Zitate an die Wand, um das Ganze kritisch zu begleiten. Es geht auch darum, wer mit dem Krieg angefangen hat und wer so die Schuld für die Zerstörungen in ganz Europa trägt. Bei der Collage aus Zitaten mischen sich Sätze aus dem Tagebuch von Thomas Mann zum Beispiel mit Ankündigungen Adolf Hitlers und Aussagen aus der Opferperspektive der Kölner. Das bringt den Betrachter zum Nachdenken. 

Welche Themen werden in der Ausstellung angesprochen?

Kramp: Es geht um sehr vielfältige Themen, die wir mit teils unbekannten Bildern und Objekten darstellen. So spielt die Rückkehr zur Demokratie eine Rolle – hier gibt es die erste Kölner Wahlurne zu sehen. Dazu kommen die Rückkehr der Kölner in ihre Stadt, die Umerziehung, die Zeit der Not und des Hungers sowie die Silvesterpredigt und das Fringsen. Auch die Rückkehr der Kultur mit der Wiedereröffnung von Theatern, Museen und Kabaretts wird thematisiert. Uns ist zudem wichtig, mit Legenden aufzuräumen. So wurden die meisten Trümmer nicht von einzelnen Menschen, sondern von beauftragten Firmen entsorgt. Auf diese Weise sind Trümmerberge wie der Herkulesberg in Köln entstanden. Spannend ist außerdem, wo bis heute die Kriegsnarben in der Stadt sichtbar sind. So finden sich Häuser, von denen bis heute nur noch das Erdgeschoss steht. Immer wieder stößt man zum Beispiel in der Altstadt noch auf Eingänge zu Luftschutzkellern. Dazu kommen die Stolpersteine, die an die Verbrechen der NS-Zeit erinnern. So spannen wir einen breiten Bogen an Themen in einer Ausstellung. 

Wie sind die Perspektiven für das Stadtmuseum im kommenden Jahr?

Kramp: Ein Projekt, dass wir noch in der Alten Wache zeigen werden, ist die Ausstellung „Karneval auf Abstand“ mit Fotografien vom Karneval im Jahr 2021. Danach beginnt der Umzug ins Haus Sauer, auf den wir uns sehr freuen und der ab Sommer unsere gesamten Kräfte binden wird. 

Wie sieht derzeit Ihr Berufsalltag aus?

Kramp: Da läuft sehr vieles jetzt im Hintergrund. Die Arbeit wird auch bei einem geschlossenen Museum nicht weniger. Wir müssen vielfältige Aufgaben bewältigen. Dazu gehört die Vorbereitung einer spektakulären neuen Dauerausstellung im Interim Haus Sauer. Und es fällt schon der Blick auf die „Historische Mitte“, dem künftigen Standort des Stadtmuseums. Auch unsere Arbeiten als Historiker gehen ja weiter.

Wie wichtig ist das Museum als Kulturort in der Krise?

Kramp: Kultur ist total wichtig. Das zeigt sich auch in der aktuellen Sonderausstellung. Kultur musste nach dem Krieg einen Neustart hinlegen. Es ging, wie jetzt auch, um die Wiedereröffnung der Kulturinstitutionen nach deren Schließung. Nach dem Krieg haben die Menschen zum Beispiel im Winter Briketts mit ins Kino gebracht, damit die Vorstellung überhaupt möglich war. Das zeigt, wie wichtig den Menschen solche Einrichtungen sind. 

Wie fällt die Bilanz für die Zeit nach der Wiedereröffnung in diesem Jahr aus?

Kramp: Zunächst waren die Menschen bei unserer Bläck-Fööss-Ausstellung unmittelbar nach dem Lockdown im Frühling zurückhaltend. Doch dann hatten wir am Ende doch 10.000 Besucher. Ohne Corona hätten wir wohl die doppelten Zahlen gehabt und hätten an unsere bisherigen Besucherrekorde anknüpfen können.

Was macht Ihnen derzeit Hoffnung und was Sorgen?

Kramp: Hoffnung macht mir, dass die Kölner wieder zurück ins Museum kommen werden. Gerade das Thema „Köln 1945“ ist für viele Menschen sehr emotional besetzt. Sorgen bereitet mir natürlich die Frage, ob wir im Museumteam alle heil und gesund diese Krise überstehen. Und ich freue mich auf die Zukunft des Museums, wenn wir zu neuen Ufern im Haus Sauer aufbrechen.