Die Kunst des flüchtigen Moments
Stephanie Binding beobachtet die Menschen feinfühlig, ohne am Realen kleben zu bleiben. Ihre Ausdrucksvielfalt ist ab heute im Badehaus zu sehen.
Burscheid. Die Künstlerin Stephanie Binding steht, soweit ein erster Eindruck dieses Urteil zulässt, mitten im Leben: aufmerksam, leidenschaftlich und fröhlich unverstellt. Mitten im Leben lässt sich auch ihre Kunst verorten. Schnelle Skizzen aus Cafés oder Kneipen, Eindrücke von Straßen und Gebäuden sind das Arbeitsmaterial, das sich dann im Atelier von der Realität löst und zum Kunstwerk reift — in erstaunlicher Ausdrucksvielfalt.
Die Ausstellung, die Freitagabend im Badehaus eröffnet wird und den Auftakt jährlicher Präsentationen freiberuflicher Künstler bilden soll, vermittelt das sehr gut. Luftig sind die meist kleineren Bronzearbeiten auf weißen Sockeln im Raum verteilt. Sie zeigen häufig Alltagsstudien selbstvergessener Körperhaltungen: ein Mann im Stuhl oder auf dem Hocker, ein Paar nebeneinander auf der Bank. Ihnen allen gilt der menschenfreundliche Blick der Künstlerin; fast scheint den Arbeiten etwas Schalkhaftes innezuwohnen.
Auch in den Radierungen und der Malerei steht immer wieder der Mensch im Mittelpunkt. Ein, zwei Linien, mitgebracht aus dem wirklichen Leben, die Erinnerung an einen flüchtigen Moment und die verfremdende Vergesslichkeit — das ist der Nährboden, um „Ideen zum Laufen zu bringen“, wie die 35-Jährige ihre Atelierarbeit beschreibt.
So wie Binding bei Menschen nicht die Anatomie, sondern den Ausdruck ergründet, so sucht sie bei der Darstellung von Architektur nach der Atmosphäre. Auch ihre Orte sind keine wirklichen, sondern zusammengesetzt aus vielen gesammelten Eindrücken. Wenn auch darin Menschen vorkommen, können sie mitunter schon etwas verlorener wirken als in den Skulpturen. Der Arbeiter mit der roten Kappe starrt vor der Industrielandschaft doch eher resigniert ins Nirgendwo.
Als Stephanie Binding am Montag aus Aachen angereist kam, war ihr Auto richtig vollgepackt. Was von den zum Teil ganz aktuell und auch gezielt für Burscheid entstandenen Arbeiten wirklich den Weg in die Ausstellung finden würde, sollte vor Ort entschieden werden, im Badehaus, einem für Ausstellungszwecke „total schönen Raum“, wie sie findet. Zusammen mit dem Burscheider Künstler Heinz-Peter Knoop, der die Reihe für den Kulturverein betreut, war die Bestückung nach ihrer Schilderung dann „ratzfatz“ entschieden.
Die Entscheidung der Jury wiederum für die vielseitige Künstlerin zum Auftakt der geplanten Ausstellungsreihe erweist sich schon beim ersten Rundgang als goldrichtig: Die Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten bietet eine Vielfalt an Anknüpfungspunkten für die Auseinandersetzung mit professioneller Kunst, ausdrücklich eines der Ziele des Kulturvereins. Das andere: freischaffenden Künstlern einen Rahmen und damit auch Verkaufsmöglichkeiten zu bieten. Auch da ist durch die große Preisspanne für unterschiedlichste Budgets gesorgt.
Die Fortsetzung wird derweil schon vorbereitet. Die Ausschreibung für 2014 hat Heinz-Peter Knoop bereits verschickt.
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