Die Lehre nach dem Schock
Der Bundestagsabgeordnete steht nach Krebsbefund und Prostata-Operation im Frühjahr nun wieder voll im Berufsleben.
Rhein.-Berg. Kreis. Wolfgang Bosbach ist wieder der Alte. Sprechstunde im Wermelskirchener Rathaus an einem Mittwochmorgen im Juli. Von 8.30 bis 9.30 Uhr sitzt er im Zimmer 1.32 und nimmt sich der Probleme der Bürger an. Umgehend muss der CDU-Bundestagsabgeordnete aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis weiter. Die Gewerkschaft der Polizei in Düsseldorf wartet, danach Leverkusen.
Ein Schweizer Energieversorger stellt Pläne für den Chempark vor.Termine, Termine. Stets unter Strom. Es ist wie immer. Dabei drohte das Leben des Wolfgang Bosbach im Frühjahr auf den Kopf gestellt zu werden.
Aus voller Fahrt bremste der 58-Jährige von 100 auf 0 ab. Diagnose: Prostatakrebs. Der Befund traf den CDU-Parlamentarier aus heiterem Himmel. "Ich hatte nie in dieser Hinsicht Beschwerden", sagt Bosbach.
Seit er 1994 erstmals in den Bundestag gewählt wurde, verweigert Bosbach den Medien selten eine Stellungnahme. Auch in dieser intimen Sache schwieg er nicht. Anfang März war Wolfgang Bosbach von ZDF-Talkmoderator Markus Lanz gebeten worden, an einer Runde teilzunehmen, in der Politiker sich zu ihrem öffentlichen Umgang mit Krankheiten äußern.
Bosbach sagte zu, nicht ahnend, dass er Anfang Juni mehr als Gesprächsgrundlage einbringen würde als seine chronische Herzerkrankung. Eine Woche nach der TV-Anfrage wurde sein Herzschrittmacher ausgetauscht.
"Reine Routine, die Batterie war alle." Eine damit verbundene Blutuntersuchung ergab einen erhöhten PSA-Wert von 14. "Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich danach einen Urologen aufgesucht."
Die Biopsie bestätigte einen bösartigen Tumor, Stufe 7 auf einer Skala von 1 bis 10. "Wie man das bekommt, ist ein Rätsel", meint Bosbach.
"Die Wissenschaft weiß nur, dass das Risiko bei Vorerkrankungen in der Familie viermal höher ist als normal. Bei uns ist es allerdings nie aufgetreten."
Eine konservative Behandlung war ausgeschlossen. Bestrahlen oder Entfernen hießen die Alternativen.
"Meine erste Frage lautete: Wann?" Es war schließlich NRW-Landtagswahlkampf und Bosbach jeden Abend unterwegs.
"Ich konnte doch die Ortsverbände nicht hängen lassen. Die hätten für mich keinen Ersatzredner mehr gefunden", entschuldigt Bosbach die OP-Verschiebung, die daheim in Bergisch Gladbach auf wenig Gegenliebe stieß.
Pflicht vor Gesundheit. "Meine Frau war natürlich restlos begeistert." In heftigen Diskussionen setzte sich der dreifache Familienvater durch. Nicht zuletzt, weil ihm die Mediziner versichert hatten, dass das Risiko vertretbar und eine Kapselsprengung sehr unwahrscheinlich sei.
"Viel länger als diesen einen Monat hätte ich allerdings nicht warten dürfen, denn es handelte sich um einen großen Tumor", gibt Bosbach zu. Noch am Abend der NRW-Wahl fuhr er vom Düsseldorfer Landtag in eine Hamburger Fachklinik.
Die Prostata-Entfernung verlief problemlos; der Krebs hatte nicht gestreut.
Allein die Blutstauung im Bauch in der zweiten Nacht nach der OP habe ihn weit zurückgeworfen, meint Wolfgang Bosbach. Er wurde in die Uni-Klinik verlegt und erneut operiert. "Bis ich danach richtig fit war, hat lange gedauert."
Auf eine Woche Krankenhaus folgten über Pfingsten zwei Wochen Erholung im Kreis der Familie, humpelnd, mit Blasenkatheter. "Seit 16 Jahren hat’s das nicht mehr gegeben. Das war für mich ein unbekanntes Erlebnis", lacht Bosbach kurz auf. Natalie, Caroline und Viktoria waren hingegen nicht zum Scherzen aufgelegt.
"Meine Töchter befürchteten, ich würde die Erziehung jetzt in die Hand nehmen." Die blieb jedoch in den bewährten Händen von Mutter Sabine. Und im Juni startete der Papa auch schon wieder durch, nachdem über Markus Lanz die Krebserkrankung öffentlich geworden war.
Drei Monate striktes Sportverbot erlegen die Ärzte auf; dem Beruf darf er nachgehen. Bosbach freut sich, in Berlin nur eine Sitzungswoche verpasst zu haben. Mehr Ruhephasen verordnet er sich nicht. Wer Bosbach kennt, weiß, dass Schonung sein Ding nicht ist. "Nach 14 Tagen Politik war ich wieder im Alltagstrott", überlegt er.
Die Kurzlebigkeit eines solchen Schicksalsschlages hat ihn selbst ein wenig erschreckt. In der Sommerpause gibt es - wie immer - nur eine Woche Ferien. Mit der Familie geht’s im August an die Cote d’Azur.
Eine Lehre nimmt Bosbach jedoch mit: Prävention ist wichtig. "Ich bin immer ein Muffel in Sachen Vorsorge gewesen", gesteht Bosbach, glaubt aber, mit dieser Nachlässigkeit in guter Männergesellschaft zu sein: "Frauen sind viel körperbewusster als wir." Schon seine Herzkrankheit war 1994 nur durch puren Zufall entdeckt worden.
"Ich wollte ein Rezept abholen für meine Frau, saß im Wartezimmer, als der Arzt mich im Vorbeigehen fragte, wie es mir gehe. Ein bisschen schlapp, habe ich geantwortet, woraufhin er direkt ein EKG machen ließ. Drei Stunden später war ich im Krankenhaus."
Zusätzliche Medikamente braucht Wolfgang Bosbach nach dieser Operation keine einnehmen. Ganz los wird ihn die Prostata allerdings nicht lassen. Alle drei Monate muss Wolfgang Bosbach künftig in seinem Terminkalender ein wenig Zeit freischlagen für Kontrollbesuche beim Arzt.