Buch-Tipp Ein Künstlerleben unter dem Deckmantel der Ulknudel

Köln · In einfachen Verhältnisse geboren und aufgewachsen ist die Kölner Sängerin, Theatermacherin und Schauspielerin Trude Herr zu einem bundesweit beachteten Star geworden. Bekannt wurde sie durch Schlager wie „Ich will keine Schokolade“, aber auch durch nachdenkliche kölsche Lieder wie „Die Stadt“.

Trude Herr wuchs in einfachen Verhältnissen auf und wurde zum Bühnestar.

Foto: Hilde Schmitz

Sie stand mit großen Kollegen wie Heinz Erhardt, Gunther Philipp, Udo Jürgens oder Bill Ramsey vor der Kamera, drehte aber auch selbst bei ihren ausgiebigen Wüstenreisen Filme wie die Dokumentation „Südwärts durch Sonne und Sand“.

In ihrer Heimatstadt Köln steht sie 1947/48 erstmals im berühmten Millowitsch-Theater bei den „Heinzelmännchen von Köln“ auf der Bühne. Eine Form von Theater, die nicht unbedingt ihren eigenen Vorstellungen entspricht. Denn das, was Trude Herr suchte, war eine deutlich modernere und kritischere Form des Volkstheaters. Auf der Varietébühne des Kaiserhofs wird sie Ende der 50er Jahre zur Nachfolgerin der großen Kölner Volksschauspielerin Grete Fluss.

Das erste eigene Theater
endet in der Pleite 

Bereits mit 22 Jahren gründet sie zuvor mit ihrem Kollegen und Freund Gustl Schellhardt ihr eigenes Theater, die Kölner Lustspielbühne. Spielstätte ist eine Baracke bei einem Kohlenhändler. Auf die Bühne kommen Schwänke und Kinderstücke. Allerdings währt dieses Glück nur kurz, das Theater steht bald vor der Pleite. Trude Herr wird arbeitslos und steht danach zeitweise als Bardame im Baberina hinter dem Tresen.

Auch die Büttenrede entdeckt Herr für sich und wird zu einer der ersten Frauen, die im Kölner Karneval die Bühnen für sich erobern. Für manchen Karnevalisten wird das zur Herausforderung, denn die eigenwillige Künstlerin denkt gar nicht daran, sich an alt hergebrachte Konventionen und Traditionen zu halten. So stellt sie sich neben die Bütt, damit man sie ganz sehen kann. Sie kombiniert die Rede mit einem Lied – und das wie bei „En Besatzungkind“ mit aktuellen und durchaus kritischen Tönen. Doch ihr Publikum ist begeistert. Ihre letzte Büttenrede „Die Karnevalspträsidentengattin“ darf sie allerdings nicht mehr vortragen, sie fällt im liberalen Köln der Zensur zum Opfer. Zensur lässt Trade Herr nicht zu, denn sie ist wie so oft in ihrer künstlerischen Karriere zu keinen Kompromissen bereit.

Der zweite Anlauf zum eigenen Theater ist ab 1977 deutlich erfolgreicher. Es öffnet als „Theater im Vringsveedel“ in der Südstadt seine Pforten. Beinahe jedes Jahr schreibt die Kölnerin ein eigenes Stück, spielt, inszeniert und ist auch für die künstlerische Leitung verantwortlich. Los geht es mit „Die kölsche Geisha“. Die Vorstellungen sind auch in den Folgejahren über Wochen hinaus komplett ausverkauft. Das Theater wird zu einer unvergleichlichen Institution in der Stadt.

1980 gerät das Haus in eine finanzielle Krise und das, obwohl Herr in ihrem künstlerischen Schaffen einen Höhepunkt erreicht. Mir „Drei Glas Kölsch“ gelingt ihr ein Volkstheaterstück, das sie in der öffentlichen Kritik in die Nähe von Bertold Brecht rückt. Trude Herr spielt eine Stadtstreicherin, die sich für ein Glas Schnaps zu Tode tanzt. Es ist ein Abend in drei Teilen, dessen Höhepunkt das Stück „Et versoffe Lenche“ ist.

Während die Kritik jubelt, meidet das Stammpublikum den ungewohnten Stoff. Mit dem Klassiker „Scheidung auf Kölsch“ kann das Theater gerade noch gerettet werden. Es ist ein Schicksal, das Trude Herr ihr gesamtes Leben begleitet – sie, die das Volkstheater reformieren will und die sich nach großen ernsten Rollen sehnt, wird auf die „Ulknudel“ reduziert. Ein Klischee, hinter dem sie ihr Innerstes wie unter einem Deckmantel versteckt.

In Köln wird „Niemals geht man so ganz“ ihr größter Hit, den sie zum Abschied von ihrer Heimat gemeinsam mit Wolfgang Niedecken und Tommy Engel zelebriert. Trude Herr wandert auf die Fidschi-Inseln aus. Doch schon vier Jahr später kehrt sie zurück nach Europa und lebt in Südfrankreich, wo sie 1991 stirbt.

Ihr außergewöhnliches Leben präsentieren die beiden Autorinnen Heike Beutel und Anna Barbara Hagin in einem außergewöhnlichen Buch. Es blickt auf Trude Herr, wie sie wirklich war. Mehr als 150 Bilder zeigen die Kölner Künstlerin in all ihren Facetten. Freunde, Kollegen und wichtige Wegbegleiter berichten in ihren Beiträgen von ihren Begegnungen mit dieser ungewöhnlichen Frau. Dazu zählen zum Beispiel Schwester Agathe Hartfeld und Nichte Gigi Herr genauso wie Konzertveranstalter Otto Hofner, Volksschauspieler Willy Millowitsch oder Schauspieler Wolfgang Reich. Auch der Politiker Hans-Jürgen Wischnewski und der frühere Intendant des Kölner Schauspiels, Jürgen Flimm, sind mit Beiträgen im spannenden Buch vertreten.

 

Heike Beutel, Anna Barbara Hagin: Trude Herr – ein Leben, Emons-Verlag, 226 Seiten, 25 Euro