Kunst Einblicke in ein jüdisches Künstlerleben

Köln · „Das Wort Grünanlage habe ich vor diesem Projekt nicht gekannt. Es ist ein Begriff, den man nicht in eine andere Sprache wie ins Englische übersetzen kann, das funktioniert nur im Hebräischen. Ziel meiner Arbeiten ist es immer, etwas Neues zu entdecken und mich so selbst zu überraschen.

Im Museum Ludwig ist die Videoarbeit „Grünanlage“ von Boaz Kaizman zu sehen.

Foto: step/Eppinger

Nur so macht mir die Arbeit Spaß“, erklärt der Künstler Boaz Kaizmann, als er auf den Titel seiner neuesten Videoarbeit „Grünanlage“ angesprochen wird. Diese ist vom 3. September bis zum 9. Januar anlässlich des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ im Museum Ludwig zu sehen.

Damit gewährt der 1962 in Tel Aviv geborene Künstler besondere Einblicke in seine Arbeitswelt und in seinen Alltag. Die Grünanlagen in den 16 Videos, die auf sieben großflächigen Projektionsflächen immer abwechselnd gezeigt werden, stammen aus Köln, der Wahlheimat von Kaizmann. „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland ist riesig, man kann als Künstler nur schwer damit arbeiten. Deshalb habe ich mich entschieden, dass ich erstmals mich selbst zeige und mein jüdisches Leben in Deutschland“, sagt Kaizmann, der beim Joggen genauso zu sehen ist wie beim Einkaufen oder der Zubereitung von Mahlzeiten.

Darüber hinaus reflektiert er den künstlerischen Prozess, indem er sein bisheriges Werk unter der thematischen Perspektive jüdischen Lebens in Geschichte und Gegenwart rekapituliert und als kurze Zitate in die Installation einbezieht. Kaizmann fragt mit seiner Arbeit nach der Möglichkeit der Erinnerung, nach der Gegenwärtigkeit und in welcher Form sie sich in Lebensgeschichten einschreibt.

In einzelnen Videos tauchen bekannte Persönlichkeiten wie die Philosophin Hannah Arendt, der Komponist Yosef Tal oder der Schauspieler Dov Glickmann auf. Dazu kommen Musikstücke mit griechischer und sardischer Anmutung, ein romantisches Volkslied und Klezmer-Musik. Im 200 Quadratmeter großen Raum befinden sich auch mehrere Buchregale mit Büchern aus der Germania Judaica, der Bibliothek zur Geschichte des deutschen Judentums, die in der Kölner Stadtbibliothek beheimatet ist. Ausgewählt wurden diese im Auftrag des Künstlers vom Literatur- und Kulturwissenschaftler Andreas Kilcher. Er hat 1700 Werke der deutschsprachigen, jüdischen Literatur für die Ausstellung zusammengestellt. Um diese zu sichten und zu lesen, gibt es im Raum auch Tische und Stühle.

So kann die Videoarbeit Kaizman‘s auf ganz unterschiedliche Art und Weise im Museum wahrgenommen werden. Man kann sie in 15 Minuten als Ganzes erleben mit der Musik und den bewegten Bildern, der sich immer wieder abwechselnden Videos. Der Besucher kann sich aber auch auf ein Video konzentrieren und dazu die bereitliegenden Kopfhörer benutzen. Außerdem besteht die Möglichkeit, das Erfahrene in den Büchern der kleinen Bibliothek vor Ort zu vertiefen oder auch zu erweitern.

Die Beziehung zwischen Boaz Kaizman und dem Museum Ludwig besteht schon seit längerer Zeit. Bereits 2004 hat der damalige Direktor Kasper König ein Werk des Künstlers für sein Haus erworben. Das aktuelle Werk wurde extra für das Festjahr und für die Beteiligung des Museums daran geschaffen. „Es entstand in einem intensiven Dialog mit der Kuratorin Barbara Engelbach. Das hat meine Arbeit deutlich beschleunigt. Normalerweise brauche ich für so ein Projekt drei Jahre. Jetzt konnte ich es in einem Jahr realisieren“, berichtet Kaizman. Sein Werk ist nun auch Teil der ständigen Sammlung des Museums.