Kultur Blick auf den „Broadway am Rhein“
Köln · Wer die Aachener Straße heute besucht, erlebt diese als quirlige und lebendige Straße mit einer bunten und vielfältigen Gastronomie sowie zwei beliebten Theaterbühnen. Da ist die Vision vom „Broadway am Rhein“, die Laurenz Leky bei der Vorstellung des Programms der Freien Volksbühne Köln mit viel Enthusiasmus entwirft, durchaus nachvollziehbar.
Leky, selbst Schauspieler und einer von drei Theaterleitern im Theater am Bauturm, spricht von der „Kooperation der zunehmend vibrierenden Kulturmeile Aachener Straße“, die im Jubiläumsjahr der Volksbühne unter anderem mit einem großen Straßenfest gefeiert wird. Es geht ihm auch um die Vision eines modernen und zeitgemäßen Volkstheaters im 21. Jahrhundert.
Der Verein Freie Volksbühne Köln wurde 1922 gegründet – eine Zeit mit großen politischen Richtungskämpfen in der Weimarer Republik, mit den ersten antisemitischen Ausschreitungen und der Ermordung des Außenministers Walter Rathenau. Die Wirtschaft wird von der Inflation geprägt, die Kultur von kreativen Köpfen wie Wilhelm Furtwängler, Gerhart Hauptmann oder Bertolt Brecht. Die Volksbühnenbewegung, die Kultur für breite Bevölkerungsschichten zugänglich machen will, entsteht in Berlin. Köln ist eine der ersten deutschen Städte, wo die neue Bewegung Fuß fassen kann. Damals hatte die Stadt fünf Theater mit 9000 Plätzen und ein Opernhaus mit rund 1800 Plätzen. Am 23. April 1922 wird die Freie Volksbühne in Köln gegründet. Gut ein Jahrzehnt später beenden die Nazis nach ihrer Machtergreifung die Arbeit des Vereins.
In den 60ern erwirbt die
Volksbühne ihr Theaterhaus
Im September 1945 kehrt dieser mit seiner Neugründung ins kulturelle Geschehen der Stadt zurück. Gut zehn Jahre später gibt es in Köln auch wieder eine Oper und ein Schauspielhaus. Die Volksbühne war auch immer Produzent eigener Theateraufführungen und Betreiber eigener Theater wie der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin. In Köln erfüllt sich der Traum 1966/67 mit dem Erwerb des Colonia-Hauses an der Aachener Straße, wo das Millowitsch-Theater beheimatet war. Nach dem Rückzug der Familie entsteht dort 2015 die „Volksbühne am Rudolfplatz“. Im Jubiläumsjahr wird es dort erstmals auch eine eigene Theaterproduktion geben.
Dafür ausgewählt wurde das 1932 in Wien erstmals aufgeführte Stück „Automatenbüfett“ der österreichisch-jüdischen Autorin Anna Gmeyner. Es ist eine zeitlose, sozialkritische Satire auf das Bürgertum und die Technologiegläubigkeit, die am 5. März 2022 in der Volksbühne ihre Premiere feiern wird. Auf die Bühne gebracht wird das Stück gemeinsam von der Volksbühne am Rudolfplatz und vom Theater im Bauturm. Regie führt Susann Schmelcher. Darsteller sind unter anderem Gerd Köster und Susanne Pätzold. Der Vorverkauf beginnt am 5. September.
Belegte Brötchen und
Bier aus dem Automaten
Es geht um eine futuristische Dorfwirtschaft in einem kleinen Dorf in den 20er Jahren, wo der neue Automat Bier und Brötchen ausspuckt. Die Innovation zieht die Bürger an, die alle in ihrem ganz eigenen Kosmos alleine für sich leben. Es ist ein lange vergessenes Stück mit vielen verschiedenen Handlungssträngen, das gerade im deutschsprachigen Raum gerade seine Renaissance erlebt. So wurde es auch im Wiener Burgtheater jüngst inszeniert und auf die Bühne gebracht. Es ist laut den Machern eine Komödie mit melancholischen Untertönen, bei der es mit fliegenden Bierkrügen auch drastisch zugehen kann und zu dem auch ein Karnevalsumzug gehört.
„Die Autorin war eine starke Frauenstimme ihrer Zeit, die das Thema Klassiker neu denkt. Sie bringt die weibliche Seite des Volkstheaters auf die Bühne. Das Stück verfügt über eine besondere Poesie und dient als Vision und Inspiration für das moderne Volkstheater. Die Texte sind nahe an Ödön von Horváth. Es geht auch um das Vereinswesen und die Unterscheidung einer guten Ideee von einer gefährlichen Ideologie“, sagt die Regisseurin.
Geplant ist im Jubiläumsjahr zudem am 27. März ein Festakt in der Volksbühne mit der NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen und der Festrednerin Iris Laufenberg, Intendantin des Schauspielhauses Graz. Musikalisch wird die Veranstaltung von Studierenden der Hochschule für Musik und Tanz gestaltet. Ein weiteres Highlight ist das Straßenfest am 26. Juni auf der Aachener Straße. In Kooperation mit dem Gustav-Stresemann-Institut und der Landeszentrale für politische Bildung wird es eine Veranstaltungsreihe in Köln und Bonn zum Thema „Volkstheater und Politik“ geben.