Frieda & Richard: Warten auf das Nesthäkchen
Ein Amselpärchen und seine Brut
Von Amseln lernen heißt: Bescheidenheit lernen. Von wegen, jedes Kind braucht sein eigenes Zimmer. Platz ist in der kleinsten Hütte. Dürfen wir vorstellen: Fips, Pipina, Mäxchen und seit gestern Morgen auch Prillan. Wer jetzt wer ist und vor allem, wer wo anfängt und wo aufhört — bitte, diese Einschätzung überlassen wir gerne dem Betrachter des Amselknäuels. Auch für die Passgenauigkeit der Namen zu den Geschlechtern übernehmen wir weiterhin keine Garantie. Mit dem fünften Ei hakt es ohnehin noch. So was nennt man Nesthäkchen.
Was die Frage aufwirft, ob eigentlich auch in Amselfamilien gilt, dass jede Rolle nur einmal zu besetzen ist. Demnach wäre Fips der umsichtige Älteste mit großem Verantwortungsgefühl und das noch ungeschlüpfte Junge der verwöhnte Nachzügler. Und der Rest müsste sich nach der Decke strecken und sehen, wie er zu seinem Recht kommt.
Beim Füttern scheint es aber nach dem ersten Eindruck ziemlich gerecht zuzugehen. Wenn das stimmt, was man so liest, wiegen frische Nestlinge fünf bis sieben Gramm, putzen pro Tag aber 16 Gramm Futter weg. Das ist der Punkt, an dem ein verantwortungsvoller Journalist aufhören sollte, Erfahrungen aus der Tierwelt auf uns Menschen zu übertragen.
Besser funktioniert das schon bei den Eltern. Frieda und Richard machen den Eindruck eines emanzipierten Paares mit einer gewissen Neigung zum Wertkonservatismus. Einerseits hilft Richard beim Einkaufen und wacht auch brav über die Kleinen, wenn die Mutter mal aus dem Haus ist. Andererseits gilt: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Keine Extrawurst nach dem Motto: Insekten mag ich nicht, bring mir lieber einen Wurm. Solche Flausen kann man sich in einer sechsköpfigen Amselfamilie mit Reserve-Ei nicht mehr erlauben.