Haushalt 2010: Rat segnet die Rekord-Lücke ab

Der Fehlbetrag ist mit 12,9Millionen Euro so hoch wie nie. Aber auch der Stadtrat ist ratlos.

Burscheid. Über Rekorde reden Politiker gerne, wenn diesen Höchstmarken etwas Positives abzugewinnen ist. Bei einem Rekordfehlbetrag von knapp 12,9 Millionen Euro im städtischen Haushalt ist das aber ein schwieriges Unterfangen. Die Vorsitzenden der sechs Ratsfraktionen mühten sich gestern Nachmittag redlich, bei ihren Haushaltsreden nicht gänzlich in Depressionen zu versinken. Danach wurde der Etat 2010 mit großer Mehrheit verabschiedet. Nur die FDP und Harald Wolfert (Grüne) stimmten dagegen.

Jörg Baack, als Richter eigentlich ein Mann von Recht und Ordnung, redete mit Blick auf die explodierenden Abwassergebühren sogar einer Art kommunalen Ungehorsams das Wort. Anstatt ständig den neusten geforderten Standards hinterherzuhecheln, schlug er vor, "die ein oder andere Maßnahme im Bereich Regenwasserbeseitigung ersatzlos zu streichen und einfach mal zu schauen, was passiert". Die Abwassergebühren, so seine Prognose, "werden als Standortfaktor von deutlich größerem Gewicht sein als die Gewerbesteuer".

Deren Einnahmen decken zusammen mit den anderen Steuerzuflüssen der Stadt nicht einmal mehr die Aufwendungen der Stadt für die Kreisumlage. Baack hofft angesichts dieser katastrophalen Lage nicht mehr auf Hilfe von Bund und Land: "Ich erinnere daran, dass das Land seit einigen Jahren einen Konsolidierungsbeitrag bei den Kommunen erhebt - ich wiederhole: erhebt und nicht leistet."

Auch Amtskollege Dieter Müller hat Bund und Land als Helfer abgeschrieben. "Es gibt keine Chance, in den nächsten Jahren den Finanzausgleich darzustellen." Um die Einnahmen der Stadt zu verbessern, müsse Burscheid attraktiver für junge Familien und Senioren werden. Voraussetzung seien attraktive Wohnstandorte in Zentrumsnähe.

Um junge Familien anzulocken, sei "für uns sehr wichtig, mittelfristig eine Gemeinschaftsschule einzuführen". Die Hauptschule müsse ersetzt werden. Müller sprach sich gegen die Schließung von Hallenbad, Bücherei und Jugendzentrum aus.

Michael Baggeler zeigte sich erstaunt, dass es im Gegensatz zum Burscheider Krisenjahr 1989 keine Demonstrationen der Bürger gebe. Er machte als Grund den Gewöhnungseffekt und einen Hang zur Resignation aus.

Angesichts der in den nächsten Jahren bevorstehenden Überschuldung der Stadt sagte Baggeler, es gebe "keine Bestandsgarantie für eine Stadtbücherei, für ein Jugendzentrum oder ein Burscheider Bad". Wie alle seine Amtskollegen verwies er darauf, dass dank öffentlicher Fördergelder dennoch derzeit kein Stillstand herrsche, und nannte die Projekte Radweg, Jugendzentrum, Mensabau und Schulsanierung.

Sabine Wurmbach machte die Änderung des Umsatzsteuerrechts als eine Ursache der Finanzmisere aus. CDU und FDP müssten sich gegen diese Klientelpolitik ihrer Parteikollegen wehren. Wurmbach forderte eine verstärkte Kooperation der Kommunen zur Kostensenkung. Auch müssten Umweltfördergelder besser genutzt werden. Die Fraktionschefin beklagte mit Blick auf den Verein "Frauen-Zimmer", dass es aus finanziellen Gründen "fast keine kompetente Beratung in sozialen Fragen mehr gibt".

Rolf Mebus begrüßte die Kunstraseninitiative der Sportvereine. Im Schulbereich müsse es Ziel bleiben, die Realschule zu sichern und ein Gymnasium einzurichten. Auch Mebus plädierte für mehr kommunale Zusammenarbeit. Die Stadt solle sich gegen neue Aufgaben ohne Gegenfinanzierung wehren.

Gerd Pieper setzt zur finanziellen Entlastung der Stadt auf digitalisierte Ratsarbeit, die Zusammenarbeit mit privaten Inkassofirmen und den Stromeinkauf mit Nachbarkommunen. Auch die öffentliche Beleuchtung müsse überprüft werden. Pieper stellte den Wert der kommunalen Datenzentrale in Frage.