Fehlendes Schild Blitzer-Panne: Köln lässt „Gnade“ walten und richtet Hotline ein

Nachdem die Stadt die zu Unrecht kassierten Bußgelder nicht zurückerstatten wollte, lenkt sie nun doch ein — bei besonderen Fällen.

Weil ein Schild fehlte, war hier am Dreieck Heumar 80 erlaubt. Die Blitzer lösten aber schon bei 60 Stundenkilometern aus.

Foto: Carolin Scholz

Köln. Bei knapp 400.000 Autofahrern dürfte der Ärger ziemlich groß gewesen sein. Denn die, die seit März auf der A3 am Kreuz Heumar zu Unrecht bei 60 Stundenkilometern geblitzt wurden, durften nicht auf Entschädigung durch die Stadt Köln hoffen. Nun lenkt sie doch ein — und erstattet in bestimmten Fällen das Bußgeld zurück.

Weil nach einer Baustelle ein weiteres Schild fehlte, das die Geschwindigkeit auf 60 km/h begrenzte, waren dort eigentlich 80 km/h erlaubt. Die Blitzanlage, die etwa 70 Meter hinter der Baustelle steht, war aber auf 60 Stundenkilometer eingestellt. Bei rund 400.000 Menschen lag im vergangenen Jahr entweder zu Unrecht ein Knöllchen in der Post oder das Bußgeld und die Strafe fielen zu hoch aus.

Viele haben die Zahlung offenbar direkt beglichen — in diesem Fall ein Problem. „Grundsätzlich gilt: Wer nicht in den ersten beiden Wochen nachdem der Bußgeldbescheid in der Post war, Einspruch einlegt und stattdessen die Strafe bezahlt, hat später schlechte Chancen“, sagt Tom Louven, Rechtsanwalt bei einer Düsseldorfer Kanzlei, die für die Internetseite geblitzt.de Bußgeldbescheide prüft. Da das Verfahren so rechtskräftig wird, ist es schwierig, es im Nachhinein noch anzufechten.

„Eine Möglichkeit dafür ist ein Wiederaufnahmeverfahren“, sagt Alexandra Elhöft, Rechtsanwältin beim ADAC. Doch das komme nicht für alle in Frage: Voraussetzung ist, dass das Bußgeld entweder höher als 250 Euro war oder ein Fahrverbot verhängt wurde.

Und selbst wenn das der Fall ist: Das Gericht entscheidet, ob das Verfahren aufgenommen wird. „Nötig für eine Wiederaufnahme sind neue Tatsachen oder Beweismittel“, sagt auch Louven. Ob dies gegeben sei, darüber könne man diskutieren. „Eigentlich gibt es keine neuen Erkenntnisse. Es wurde einfach ein Fehler gemacht. Die Beweislage ist aber die Gleiche“, sagt der Anwalt. Alexandra Elhöft sieht eine Chance für die Betroffenen. Man könne durchaus interpretieren, dass neue Tatsachen hinzugekommen seien: „Wer eine Rechtsschutz-Versicherung hat, sollte es versuchen.“

Denen, die weniger als 250 Euro bezahlen mussten, hilft das aber nicht. Doch für einige gibt es nun Hoffnung. „Die Stadt Köln hat sich mit der Bezirksregierung darauf verständigt, von der Möglichkeit eines Gnadenerlasses Gebrauch zu machen“, teilte die Stadt Montagabend mit. So könne in jedem Fall geprüft werden, ob das zu viel gezahlte Bußgeld erstattet und ob eine Löschung eventuell verhängter Punkte im Verkehrsregister verfügt werden kann.

Ein Gnadenerlass wird aber nur in bestimmten Fällen gewährt, sagte ein Sprecher der Bezirksregierung Köln, der „Gnadenbehörde“ in diesem Fall. „Wir richten eine Hotline ein, bei der sich die Leute melden und ihren Fall vortragen können“, sagt er. In besonderen Härtefällen, wenn beispielsweise jemand durch ein Fahrverbot seinen Arbeitsplatz verloren hat oder es zu anderen schwerwiegenden Folgen kam, werde gehandelt.

Einen ähnliche Blitzer-Panne habe es bislang nicht gegeben, sagen Alexandra Elhöft und Tom Louven. Der Anwalt rät: „Wenn man Zweifel an einem Bußgeldbescheid hat, besser direkt Einspruch einlegen.“ Sollte sich herausstellen, dass die Behörde im Recht ist, werde es für Betroffene dadurch nicht teurer. Aber man verschaffe sich Zeit, Sachlage und Argumente zu prüfen.