Köln Cologne Pride - „Der CSD ist wichtiger denn je“

Köln · Am Wochenende stand der Cologne Pride im Zeichen der Aufstände in der New Yorker Christopher Street vor 50 Jahren.

Die Teilnehmer der Parade zum CSD erinnerten gestern in bunten Kostümen an die Stonewall-Proteste 1969 in New York.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Das diesjährige Motto „50 Years of pride – Viele gemeinsam stark!“ wirft den Blick auf die Geschehnisse, die sich vor 50 Jahren in New York abgespielt haben. Sie waren der Ursprung für den heutigen Christopher Street Day, den es in Deutschland 1991 erstmals in Köln gab. Zuvor liefen politische Demonstrationen hierzulande unter der „Gay Liberation Front“. Ein Zeitzeuge aus New York ist Tree, der 1969 als Barkeeper in der Stonewall-Bar an der Christopher Street gearbeitet hatte, die am 28. Juni 1969 um 1.20 Uhr von der US-Polizei attackiert worden war. Diese Nacht markiert einen Wendepunkt – erstmals begannen die Schwulen, sich gegen die Diskriminierung und Kriminalisierung zu wehren. Es kam zu tagelangen Unruhen.

„1969 spielte Stonewall in Deutschland noch keine Rolle, da gab es damals andere Sorgen. Heute sind wir froh und stolz auf das, was alles erreicht wurde. Damals hat sich die Welt nachhaltig verändert“, sagt CSD-Pressesprecher Oliver Lau vom Veranstalter KLuST. Mit Blick auf Köln fällt die Bilanz durchaus positiv aus: „Wir haben hier in der Stadt schon viel erreicht, aber noch nicht überall. Es gibt immer noch Bereiche in der Stadt, in denen ich mit meinem Mann nicht Händchen haltend unterwegs sein möchte. Der Wind weht wieder stark von rechts und wir müssen schauen, dass wir das, was wir erreicht haben, bewahren. Das Rad kann schnell zurückgedreht werden.“

„Es gibt noch viel Arbeit, die erledigt werden muss“

Köln sei aber eine offene und tolerante Stadtgesellschaft. „Die große Mehrheit steht hinter uns. Das sieht man auch an den vielen Kölnern, die uns bei der Demonstration zujubeln.“ Dass „schwul“ auf vielen Schulhöfen immer noch ein Schimpfwort ist, macht ihn nachdenklich. „Das ist schon besser geworden. Aber es wird ein Thema bleiben. Unsere Arbeit hört nicht auf. Da geht es um Aufklärungsarbeit bei den jungen Menschen. Ich fürchte, dass ‚schwul‘ wohl noch lange ein Schimpfwort bleiben wird“, sagt Lau.

In Istanbul wurde der CSD zum fünften Mal verboten

So bunt ist der CSD 2019 in Köln
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Foto: dpa/Henning Kaiser

Andere Bedingungen gibt es in Kölns Partnerstädten wie Istanbul, wo der CSD zum fünften Mal in Folge verboten wurde und eine Demonstration von der Polizei niedergeknüppelt worden ist. „Die Gäste, die die Stadt nach Köln eingeladen hat, sehen, wie wir hier von der Polizei unterstützt und beschützt werden. Diese schöne Erfahrung nehmen sie mit nach Hause. Das gibt auch Mut und Kraft“, ist sich Lau sicher.

Zur Demonstration in Köln hatten sich beim größten CSD Europas für den Sonntag 148 Gruppen mit 76 Wagen und 70 Fußgruppen angemeldet. „Das ist die größte Demo, die es bislang zum CSD gegeben hat – ein froher und bunter Querschnitt vom großen Unternehmen bis zum kleinen Verein.“

KLuST-Vorstandsmitglied Jens Pielhau weist darauf hin, dass es nicht reicht, nur an den Aufstand vor 50 Jahren zu erinnern, sondern, dass es auch heute noch die Bereitschaft braucht, gegen Missstände aufzustehen. „Ausgrenzung ist schnell passiert. Und Ausgrenzung ist ein Verbrechen, durch das Menschen sterben. Deshalb ist der Cologne Pride heute notwendiger denn je“, betont Pielhau.

Zu Gast auf dem Heumarkt war auch der stellvertretende NRW-Ministerpräsident Joachim Stamp: „Demokraten stehen gemeinsam für eine offene Gesellschaft und gegen braune Hetze. Wir feiern 50 Jahre Stonewall und 70 Jahre Grundgesetz, das Schwule lange Zeit nicht vor Diskriminierung schützen konnte“, sagt der FDP-Minister. Er erinnerte in seiner Rede auch an die Zustände in anderen Ländern und Städten wie der Türkei und Istanbul. „Wir müssen hier ein Zeichen setzen für die internationale Solidarität der Gemeinschaft. Jeder Mensch hat das Recht, selbstbestimmt zu leben und zu lieben.“

Für deutliche Worte ist Bürgermeisterin Elfi Scho-Anterwerpes (SPD) bekannt, die mit Vertretern aus sechs Kölner Partnerstädten auf die Bühne am Heumarkt kam. „Das war in New York vor 50 Jahren staatliche Willkür, die es so nie wieder und nirgendwo in der Welt geben darf. Das dürfen wir nicht vergessen und dafür müssen wir uns ständig einsetzen. Rechtspopulisten versuchen, sich jetzt wieder in der Gesellschaft breitzumachen. Da heißt es, wehrt den Anfängen.“ Man sei auch nach fünf Jahrzehnten noch nicht am Ziel angekommen. „Liebe ist in Köln kein Luxus, sondern Normalität. Schwule und lesbische Paare gehören zu Köln wie der Dom.“

Zu Scho-Antwerpes Forderungen gehören, die letzten Hürden bei der Adoption zu beseitigen, das Transsexuellen- Gesetz umfassend zu reformieren und den Artikel 3 des Grundgesetzes um die sexuelle Identität zu ergänzen. „Es geht um die Kultur von Respekt und Akzeptanz. Nur Toleranz ist zu wenig.“

Auch die frühere SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sorgt sich um die offene Gesellschaft: „Wir müssen verdammt aufpassen. Es sind Kräfte unterwegs, die wir stoppen müssen. Es hat sich vieles zum Besseren verändert. Es gibt aber keinen Grund, sich zurückzulehnen. Die Rechten haben der offenen Gesellschaft den Kampf angesagt. Wir müssen unsere Rechte schützen, sie sind nicht für die Ewigkeit garantiert. Das braucht unser aller Unterstützung und in der Politik braucht es mehr als nur warme Worte“, sagt Kraft. Es brauche eine aktive Akzeptanzpolitik „Das neue Heimatministerium sollte auch den CSD unterstützen, er ist Heimat.“