Bühne Theater planen in unsicheren Zeiten

Köln · Theatermacher haben es in diesen von Krisen geprägten Zeiten nicht gerade einfach. Bei den städtischen Bühnen dauert das Interim in Deutz und in Mülheim weiter an und die Baustelle am Offenbachplatz wird zur unendlichen Geschichte - Ende offen.

Das Theater im Bauturm liegt an der belebten Aachener Straße.

Foto: step/Eppinger

Auch die freie Theaterszene in Köln kämpft in Zeiten knapper Kassen und der stetigen Streichungswut bei den öffentlichen Fördermitteln für die Kultur um ihre Existenz und um ihre künstlerische Freiheit.

Dass es trotzdem noch möglich ist, in solch düsteren Zeiten ein qualitativ und quantitativ hochwertiges Programm für die laufende Spielzeit 2024/25 zu entwickeln und zu realisieren, zeigt das Team im Theater im Bauturm. „Das Programm ist gerade erst fertig geworden und ist jetzt so, wie wir es uns wünschen. Da wird immer kurzfristiger geplant, was die freie Szene im Vergleich zu den städtischen Theatern aber auch deutlich flexibler macht“, erklärt der Theaterleiter Laurenz Leky, der mit seinen Kollegen René Michaelsen (Dramaturgie) und Bernd Schlenkrich (Geschäftsführung) gerade seine neunte Spielzeit bestreitet.

Welche Rolle spielt der
Mensch heute noch im Internet

Die erste Premiere findet in dieser Woche am Donnerstag, 17. Oktober, statt. Dann kommt die Koproduktion „Are you human“ auf die Bühne an der Aachener Straße. Entstanden ist diese als Koproduktion mit dem Kollektiv „fast verwegen“ und der Studiobühne. Das Stück überprüft die Rolle des Menschen im Internet in Zeiten von Chatbots und Künstlicher Intelligenz. Längst ist nicht mehr klar, ob es Nutzer im Netz mit echten oder simulierten Menschen zu tun haben. Genau von dieser Tatsache lebt und profitiert die Familie Emil, die die Zuschauer bei ihrem Alltag begleiten können.

Für die zweite Premiere der Spielzeit, „Nowhere Man“ am 8. November, kommt eine Produktion von der „performing:group“ ins Theater im Bauturm. Beim Stück stellen die Kreativen die Frage, was mit uns passiert, wenn wir allein sind und wenn wir allen Einflüssen der von Informationen überfluteten Welt entsagen, um endlich zur Ruhe zu kommen. In seinem Tanzmonolog lotet Francesco d’Amelio alle Ebenen dieses Alleinseins aus.

Am 21. und 22. November gibt es mit dem „Selbstporträt zwischen Steppe und Wald“ ein Gastspiel des Deutschen Theaters Berlin. Der Regisseur Nikita Betekhtin musste kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wegen gefährlich gewordener politischer Äußerungen seine Heimat verlassen. Alexej Lochmann wurde in Kasachstan geboren und kam als Spätaussiedler in den 90ern nach Deutschland. Dort wurde er vom Drogendealer zum erfolgreichen Schauspieler. Im Stück erzählt er seine ganz persönliche Geschichte und stellt sich dabei selbst zur Disposition - ein Solo mit einem Rad und fünf Diaprojektoren.

Die Bearbeitung großer literarischer Werke für die Bühne hat im Bauturm Tradition. In diesem Jahr fällt der Blick auf die Romane von Thomas Bernhard. Er gilt als zornige Streitmacht der deutschsprachigen Literatur. Seine Texte sind bekannt für ihre epischen Erregungstiraden. Dahinter glüht beim Schriftsteller die Liebe für das geschriebene Wort, für die Kraft der Kunst und für seine Lebensmenschen. Für die Premiere Anfang kommenden Jahres stehen drei Werke noch zur Auswahl. Derzeit ist man hierfür mit dem Schauspieler Marc Fischer als Darsteller in Verhandlungen.

Zu den Highlights der laufenden Spielzeit gehört im März die Premiere von Suzie Millers Monolog „Prima Facie“. Darin geht es um eine Staranwältin, die Vergewaltiger verteidigt, und die in ihrer Beziehung nun selbst Opfer eines sexuellen Übergriffs wird. So erlebt sie die andere Seite ihrer bisherigen Fälle. Die Parabel auf das patriarchal geprägte Rechtssystem bringt Schauspieler Sonja Baum auf die Bühne.

Wieder aufgenommen wird im März die musikalische Revue „Warschau - New York -Tel Aviv“ mit Dalia Schaechter und Boaz Krauzer. Im Mai feiert dann „Eine Begegnung mit Kairos“ mit dem international arbeitenden Ensemble Bridgeworks seine Kölner Premiere. Dieses besteht auch Künstlerinnen und Künstlern aus acht Nationen, die gemeinsam alle Ebenen der Begegnung ausloten, um die Perpektivvielfalt einer diversen Gesellschaft fühlbar zu machen.

Als letzte Premiere der Spielzeit gibt es im Juni das Stück „Liebe ohne Drama. Ein Drama“ von und mit Kieran Joel (Regie), Leonie Huober und Nils Kretschmar. In einem Abend voller Improvisation geht es um die Frage, wie man sich im Zeitalter des Kapitalismus und der Kriege noch verlieben kann.

Karten und weitere Informationen zum gesamten Programm finden sich unter: