Bier Die Rückkehr der süffigen Sünde

Pulheim/Köln. · Biersommelier Michael Roeßgen braut in Pulheim das kölnische Knupp-Bier. Ausgeschenkt wird es in der Craftbeer Corner in der Altstadt.

Biersommelier Michael Roeßgen mit dem Knupp-Bier vor seiner Mikrobrauerei Heinenhof in Pulheim-Orr.

Biersommelier Michael Roeßgen mit dem Knupp-Bier vor seiner Mikrobrauerei Heinenhof in Pulheim-Orr.

Foto: WZ/Eppinger

Als im 17. und 18. Jahrhundert das Kölner Stadtgebiet noch an den Ringen endete, gab es im Schatten des Doms kein Kölsch. Für durstige Kehlen fand sich in der Stadt das helle Keut oder das leichte Wieß – der unfiltrierte Vorgänger des heutigen Kölsch. Doch nicht jedem Kölner schmeckten damals diese Bierstile.

Doch es gab Abhilfe, vor den Stadttoren wurden in Baracken das kräftige und alkoholreiche kölnische Knupp-Bier gebraut – eine dunkle Bierspezialität, die an das britische Porter erinnert. Gerne gesehen war das starke Knupp bei den Stadtoberen nicht – in der Stadt war es verboten und die Kölner durften laut mehreren Ratsbeschlüssen auch nicht zum Trinken in die Baracken gehen. Städtischen Angestellten drohte sogar die Entlassung, wenn sie das Knupp tranken. Gebracht haben die Verbote eher wenig, weshalb sie immer wieder neu aufgelegt wurden.

 Das Knupp muss als besonderes Bier deklariert werden

Gründe dafür waren die Stärke des Bieres und wohl auch die Tatsache, dass es günstiger war, als das besteuerte Bier in der Stadt. Gebraut und ausgeschenkt wurde es am Bayenturm, an Melaten, in Nippes und am Judenbüchel. Auch im damals noch selbstständigen Mülheim war das Knupp beliebt. Möglicherweise erreichte der Bierstil sogar Düsseldorf und könnte dort ein Vorgänger des heutigen Altbiers gewesen sein.

Jetzt kehrt das Knupp als „Süffige Sünde“ wieder zurück und darf nun auch ganz legal in der Kölner Altstadt getrunken werden. Gebraut wird es aber immer noch vor den Toren der Stadt – in Pulheim-Orr, wo die Heinenhof Mikrobrauerei von Biersommelier und Brauer Michael Roeßgen ihren Platz in einem alten großen Bauernhof gefunden hat. Entdeckt hat er den alten Braustil mit der Hilfe des Vorsitzenden der Kölner Bierhistoriker, Jürgen Knoke – dem Experten in Sachen Knupp.

Allerdings mussten zunächst Hürden überwunden werden, denn das Biergesetz erlaubt nur bestimmte Zutaten beim Brauen – bei untergärigem Bier ist das eigentlich nur Gerste. Dagegen sind im Knupp Hafermalz, Weizenmalz sowie nicht vermälzte Gerste und Kräuter als Zutaten vorgesehen. Im neuen Knupp aus Pulheim wird als „Kraut“ Süßholzwurzel eingesetzt. „Man kann aber eine Ausnahmegenehmigung beantragen und muss dann das Produkt als ‚besonderes Bier‘ bezeichnen“, erklärt Roeßgen.

Bevor er Brauer wurde, hatte Roeßgen als Stenograf im Düsseldorfer Landtag und beim Deutschlandfunk gearbeitet. Außerdem war er Radsportler und holte 2012 bei der Deutschen Meisterschaft in seiner Altersklasse den elften Platz. Zuvor war der gebürtige Bochumer beim Badminton aktiv. „Irgendwann wollte ich mit dem aktiven Radsport aufhören und bin zudem in Altersteilzeit gegangen. So hatte ich auf einmal sehr viel freie Zeit zur Verfügung.“

Zum Brauen kommt er unter anderem durch einen Bekannten aus dem Radsportverein in Pulheim, der früher als Brau- und Mälzergeselle bei Sester gearbeitet hatte. „Armin Walter hat von seinem Beruf immer geschwärmt. Außerdem hatte ich einen Fernsehfilm gesehen, bei dem es darum ging, wie gut das deutsche Bier noch ist. Alles zusammen hat mich dazu bewogen, mir ein Starterkid zum Brauen mit ein paar Töpfen sowie Zutaten im Internet zu bestellen.“

Nach 65 Suden als Hobbybrauer kam die eigene Brauerei

Der erste Brauversuch brachte ein Kölsch ans Tageslicht, dem allerdings noch die Kohlensäure fehlte. „Ich hatte das Aufkarbonisieren vergessen, bei dem Speise zugegeben werden muss. Das ist eine zurückgestellte Würze. Geschmeckt hat mir das eigene Bier trotzdem und beim zweiten Versuch hat es dann auch richtig geklappt“, erinnert sich Roeßgen. 65 Sude später kommt der Entschluss, eine eigene Brauerei zu gründen. Damit wird der Ausstoß von 20 bis 40 Litern auf gut 450 Liter erhöht und die Ausrüstung zum Brauen deutlich verbessert. Dazu gehören auch spitz nach unten zulaufende Gärtanks, in denen verschiedene Temperaturen genau eingestellt werden können.

Inzwischen werden in Pulheim-Orr fünf verschiedene Bier gebraut. Vier davon laufen unter dem Label Mikrobrauerei Heinenhof. Dazu gehören die regionalen Bierstile wie das Heinenhofer – ein Landkölner Wieß, und das kölnische Knupp. Lokal sind die Bierstile, die früher auf Bauernhöfen als Arbeitstrunk für die Feldarbeiter produziert worden sind. Diese waren aber leichter als die heutigen Biere. Dazu gehört das Saison mit dem Namen Roter Korsar – ein belgischer Bierstil – und das Schäselong – ein Bière de Garde, das sonst in Nordfrankreich gebraut wird. „Der Name kommt von der Stärke des Bieres, das man lieber auf dem Sofa trinken sollte, wo man sich zurücklehnen kann“, sagt Roeßgen schmunzelnd.

Das fünfte Bier läuft unter dem Label CCC – Craftbeer Creations Cologne. Dort werden die Biere der Kölner Bierhistoriker vermarktet. Aktuell ist hier das Double IPA Rheinische Felder angesagt – eine Hommage an ein berühmtes US-amerikanisches DIPA der Russian River Brewing Company. „Da sind Unmengen Hopfen drin – es schmeckt aber gut, wenn es auch gut gebraut ist.“

Vertrieben wird das DIPA über die Craftbeer-Shops in der Region wie dem Kölner Bierlager in der Südstadt. Die anderen Biere werden über den Hofladen vor Ort vermarktet. Die „Süffige Sünde“ – das Knupp-Bier – gibt es exklusiv im Ausschank bei der Craftbeer Corner an der Martinstraße gegenüber des Gürzenichs.

Außerdem wird es direkt in der Brauerei im Heinenhof gegenüber des Ritterguts in Orr beim sogenannten „Open Tap“ jeden zweiten Freitag im Monat von 16 bis 20 Uhr ausgeschenkt. Dort werden auch Brauseminare und Verkostungen angeboten.

Das nächste Bier hat Roeßgen schon im Blick: „Meine Frau ist Dortmunderin und dort gab es den Adam – ein sehr mächtiges Bier mit zehn Prozent. Es wird zwei Jahre in Rotweinfässern gelagert. Früher musste man nach dem ersten Humpen einmal um den Block laufen, bevor es den zweiten gab“, erklärt der 61-Jährige.