Leverkusen Fünf Jahre befristet im Schuldienst: Lehrerin zieht vor Gericht
Die 44-jährige Mutter aus Leverkusen hangelt sich seit Jahren von Vertrag zu Vertrag. Sie fürchtet: Ihr Berufsleben führt sie in die Altersarmut.
Leverkusen. Im Wahlkampf spielen Zahlen Hauptrollen, 7000 Lehrer habe die rot-grüne Landesregierung eingestellt, sagt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) in jeder Diskussion über Bildungspolitik. 7000 Lehrer. Bärbel Guida war bisher nicht dabei. Sie teilt ihr Schicksal nach Angaben der Bezirksregierung mit 516 Pädagogen in Düsseldorf, mit 306 Kollegen in Wuppertal, mit 169 Lehrern in Solingen und 115 in Remscheid. Bärbel Guida ist Verfügungsmasse, Lückenbüßer, ewige Aushilfe. Weniger Geld, weniger Rechte, aber nicht weniger Arbeit.
Nun reicht es ihr. Bärbel Guida hat einen Entfristungsantrag gestellt. Sie ist es leid, sie will sich nicht länger ausnutzen lassen. Die Erfolgsmeldungen auf Podiumsdiskussionen im Wahlkampf sind für die zweifache Mutter ebenso blanker Hohn wie die Versprechen der Oppositionsparteien. „Ich will so nicht weitermachen. Ich kann es auch nicht.“ Guida ist Seiteneinsteigerin. Sie hat Fotografie und Mediendesign studiert. Seit fünf Jahren unterrichtet sie an einer Gesamtschule. Welche das ist, mag sie nicht sagen. „Die Schule kann ja nichts dafür, wie es ist. Die Kollegen und die Schulleitung können nichts machen.“ Auch die Bezirksregierung ist unschuldig.
Der Ball liegt im Feld der Landesregierung. Über die Zahl der Nordrhein-Westfalen im Schuldienst bestimmt sie. Einiges spricht dafür, dass sie zu knapp kalkuliert. Eltern und Opposition beklagen unisono den Stundenausfall an Schulen in NRW. Während die CDU im Wahlkampf deshalb „Mehr Lehrer“ fordert, geht der Wuppertaler FDP-Landtagsabgeordnete Marcel Hafke sogar mit einer konkreten Zahl ins Rennen. Er plädiert für 3500 zusätzliche Lehrkräfte, wenn die Liberalen nach der Wahl am Sonntag etwas zu sagen haben sollten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Bärbel Guida dann abermals leer ausgeht, ist allerdings recht hoch. Die 44 Jahre alte Leverkusenerin besetzt eine halbe Stelle. Sie unterrichtet pro Woche zwölf Stunden Kunst. „Aber halbe Stellen gibt es nicht. Wenn die Schule mich einstellt, ist eine ganze Planstelle besetzt.“ Für jeden Direktor ist das ein schlechtes Geschäft. Er müsste dann auf eine halbe Stelle verzichten.
Außerdem ist Bärbel Guida eine sogenannte Nichterfüllerin. Sie ist keine ausgebildete Lehrerin. Bewirbt sich ein Kandidat mit Lehramtsstudium mit ihr um dieselbe befristete Stelle, „dann habe ich das Nachsehen“, sagt Guida. Egal, ob der Mitbewerber Berufserfahrung hat oder nicht.
Im Schulministerium des Landes sind die Sorgen von Lehrerinnen wie Bärbel Guida bekannt. Zum konkreten Fall könne das Ministerium unter Leitung von Sylvia Löhrmann (Grüne) zwar nichts sagen, heißt es in einer Antwort an unsere Zeitung. Aber grundsätzlich seien 146 000 Lehrer (80 Prozent) in NRW Beamte. 32 000 Lehrerinnen und Lehrer sind demnach mit Tarifverträgen ausgestattet. Unter diesen Tarifbeschäftigten teilen 9000 bis 10 000 das Schicksal von Bärbel Guida.
Für das Schulministerium ist das kein Problem. Es beruft sich darauf, dass Fehlzeiten durch Mutterschutz, Elternzeit oder Krankheiten ausgeglichen werden müssen. „In diesen Fällen hat die vom Bundesgesetzgeber vorgesehene, aus sachlichen Gründen befristete Beschäftigung also Sinn und ist ein wichtiges Instrument zur Unterrichtsversorgung“, erklärt das Ministerium. Bisher funktioniere es immer irgendwie. Aber was ist in Zukunft? Das versteht Bärbel Guida wohl. Sie lebt schließlich davon. Aber sie lebt schlecht. Die Seiteneinsteigerin verdient deutlich weniger als ihre Kollegen, leistet aber dieselbe Arbeit. Und abgesehen davon, dass die Leverkusenerin nie weiß, ob sie im nächsten Jahr noch an der Schule arbeiten kann, oder ob sie sich eine ander Schule oder gar eine andere Arbeit suchen muss, plagen sie Zukunftsängste. „Ich bin jetzt 44 Jahre alt. Bisher geht das immer alles irgendwie. Aber wenn ich mal 50 bin, dann wird es schwierig, auch nur eine befristete Stelle zu finden“, sagt sie. Die Familie ist auf das Einkommen der studierten Fotografin angewiesen. Und der Gedanke an die Rente zieht erst recht tiefe Sorgenfalten in die Stirn der Lehrerin. Je nach Eingruppierung erhalten Aushilfslehrer mit halben Stellen kaum mehr als 1200 Euro im Monat.
Umso mehr sehnen die Guidas sich nach Planungssicherheit, nach einem Einkommen, auf das sie sich auch dann noch verlassen können, wenn vor den Ferien der letzte Schulstundengong ertönt. Deshalb klagt die Kunstlehrerin nun. Fünf Jahre Zeitvertrag und Zittern um jede Verlängerung sind genug.