Wie erleben Sie gerade Köln in Zeiten der Corona-Krise?
Interview „Jeder Tag ein Sonntagmorgen“
Christoph Kuckelkorn ist der Präsident des Festkomitees und arbeitet als Bestatter in Köln. Im Interview spricht er über das soziale Engagement der Karnevalisten und über den Umgang mit dem Tod.
Christoph Kuckelkorn: Ich wohne in der Innenstadt und kenne Köln am Sonntagmorgen, wenn man einen Spaziergang macht oder beim Bäcker Brötchen holt. Dieser Sonntagmorgen ist im Moment an jedem Tag erlebbar. Die meisten Geschäfte haben zu, es gibt wenig Verkehr und auch wenige Menschen, die unterwegs sind.
Der Karneval hat auch immer eine soziale Komponente, die jetzt in Krisenzeiten besonders erlebbar ist.
Kuckelkorn: Das Soziale im Karneval war schon im Mittelalter wichtig. Da hat man bei Festivitäten auch für das Armenhaus gespendet. Das gilt auch jetzt, in Zeiten der Krise, in denen es vielen Menschen nicht gut geht und viel Hilfe brauchen. Da gibt es eine hohe Solidarität, sei es bei den Karnevalsgesellschaften oder auch beim Festkomitee, das mit einem eigenen Hilfsprojekt „Nur zesamme“ derzeit am Start ist. Beides, das Soziale und der Karneval, sind untrennbar miteinander verbunden.
Wenn Sie auf die vergangene Session blicken, da ist Köln gerade noch an der Krise vorbeigekommen.
Kuckelkorn: Darüber haben wir natürlich schon oft nachgedacht. Hätten wir alles absagen müssen, hätte das für viele Gesellschaften das Aus bedeutet. Wir haben Glück gehabt, dass wir noch einmal unbeschwert feiern konnten und dass alles so glimpflich ausgegangen ist. Dafür sind wir sehr dankbar.
Wie sieht in Krisenzeiten der Blick auf die Zukunft, sprich auf die kommende Session, aus, die am 11. November beginnen soll?
Kuckelkorn: Auch darüber haben wir uns Gedanken gemacht und uns entschieden, die Planungen bis auf Weiteres unverändert fortzuführen. Das gilt für die Vorbereitungen des „Elften im Elften“ genauso wie für die gesamte Session. Wir sind voll der Hoffnung, dass wir dann wieder unbeschwert feiern können. Jetzt ist es einfach wichtig, weiterzumachen.
Welche Rolle spielt der Karneval jetzt in der Corona-Krise?
Kuckelkorn: In den sozialen Netzwerken werden gerade viele Bilder aus der vergangenen Session hochgeladen – von Umzügen und dem Dreigestirn genauso wie von Sitzungen oder Bällen. Karneval kann so mit der Erinnerung Hoffnung zurückgeben und Lust auf die Zukunft machen.
Sie sind Bestatter und haben so fast täglich mit dem Tod zu tun. Wird dieser jetzt anders wahrgenommen?
Kuckelkorn: Es ist problematisch, dass der Tod im normalen Leben immer an der Rand der Gesellschaft gedrückt wird. Dabei wäre es wertvoll, den Gedanken daran auch in das Leben aufzunehmen. Aktuell erleben wir das auch durch die dramatischen Entwicklungen in den Nachbarländern sehr massiv und sehr nahe. Wenn der Tode so gegenwärtig wird, irritiert das die Menschen und macht ihnen Angst. Es gibt große Opferzahlen und man keiner Seite, wie bei einem Krieg, die Schuld zuweisen. Es ist ein unsichtbarer Gegner, gegen den wir gerade kämpfen.
Was macht Ihnen derzeit Hoffnung und was Sorgen?
Kuckelkorn: Hoffnung macht mir, dass Maßnahmen ergriffen worden sind und dass sich die Menschen auch daran halten. Das war vor einigen Tagen noch nicht so der Fall. Die Verbote sozialer Kontakte sind in den Köpfen den Menschen angekommen und diese halten sich auch entsprechend zurück. Nur so können wir die Entwicklung verlangsamen und das Gesundheitssystem wird nicht überfordert. Hoffnung macht auch, dass die Todeszahlen hierzulande noch relativ niedrig sind. Sorge macht mir dagegen die Frage, wie der wirtschaftliche Motor nach der Krise wieder anspringen wird. Diese wird wohl noch ziemlich lange andauern.
Wie sieht aktuell Ihr Alltag beruflich und privat aus?
Kuckelkorn: Beruflich hat sich verändert, dass wir keinen direkten Kontakt mehr zu den Angehörigen haben dürfen. Viel läuft über die Post, Telefon, Mails oder auch über Skype. Gibt es Ausnahmen, müssen wir darauf achten, dass die Distanz eingehalten wird. Was schwer zu ertragen ist, ist, dass es bei Beerdigungen keine Trauerfeiern mehr gibt und dass Angehörige sich nicht mehr richtig trösten können, zum Beispiel, indem man den anderen in den Arm nimmt. Auch am Grab muss die Distanz eingehalten werden. Das ist ein ziemlich trostloser Zustand. Privat verbringe ich viel Zeit zu Hause mit der Familie. Das ist jetzt eine ganz andere Art des Zusammenkommens. Und man hat Zeit, denn der Terminkalender hat sich massiv geleert.
Welchen Tipp haben Sie für die Zwangspause zu Hause?
Kuckelkorn: Der Zusammenhalt in der Familie ist etwas ganz Tolles, das sollte man auch ganz bewusst nutzen. Man kann Gesellschaftsspiele auf den Tisch bringen, man kann lesen oder sich auch online weiterbilden. Ich kann jetzt auch die Kinder zu Hause bei den Schularbeiten unterstützen, die ich ganz anders erlebe. Um Kontakt zu den Älteren zu halten, gibt es viele Möglichkeiten wie die Social-Media-Kanäle. Es ist eine neue Art des Miteinanders entstanden.
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