Bannmeile „Kleinkunst gehört zum Dom“ - Kritik an Kölner Verbotsplänen
Maler, Pantomime, Musiker: Die Kölner Stadtverwaltung will künftig alle Straßenkünstler rund um den Dom verbannen. So sieht es die neue Stadtordnung vor. Die Pläne stoßen auf Kritik.
Köln. Behutsam streicht Zdenek Kaluza mit seiner rechten Hand über das kalte Pflaster auf dem Boden und verwischt die orangefarbene Kreide. Allmählich nimmt sein Jesus-Bild Gestalt an. Seit mehreren Stunden sitzt er auf einer kleinen Matte auf der zugigen Domplatte und malt. Immer wieder bleiben Touristen stehen, betrachten sein Kunstwerk, machen Fotos und werfen Münzen in ein Metallschälchen.
Seit drei Monaten kommt der 39-Jährige an diesen zentralen Kölner Platz vor der Kathedrale, um sich seinen täglichen Unterhalt zu verdienen. Der Tscheche ist arbeits- und obdachlos. Bald könnte für ihn Schluss sein mit seinen Einkünften als Pflastermaler. Zumindest an diesem Ort. Denn die Stadt Köln will sämtliche Kleinkunst rund um den Dom verbieten. So sieht es eine neue Fassung der Stadtordnung vor, die die Stadtverwaltung entworfen hat und die am 17. November vom Stadtrat beschlossen werden soll.
Die Änderung stelle „einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Sicherheit und Ordnung im Umfeld des Domes dar“ - wird in der Beschlussvorlage begründet. Demnach solle zum „Schutz der Menschen vor Störungen oder Belästigungen“ eine Zone entstehen, die frei von Straßenkunst ist.
Wenig Verständnis für die geplante Neufassung hat der Dompropst Gerd Bachner. „Dieses radikale Verbot entspricht in keinster Weise dem Wesen und dem Lebensgefühl unserer Stadt“, sagt Bachner im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Er halte es für falsch, „das pulsierende Leben einer Metropole am ersten Platz der Stadt auf Null zu fahren. Das möchte ich nicht!“.
Bachner räumt ein, dass im Bereich der Straßenmusik derzeit vieles schief laufe. „Ich kann verstehen, dass Menschen, die an der Domplatte wohnen oder arbeiten, genervt sind.“ Erst kürzlich hätten Mitarbeiter aus dem Domforum, das gegenüber des Dom-Haupteingangs liegt, ein Plakat mit der Aufschrift „Gnade“ entfaltet, weil sie das Gedudel vor ihren Fenstern nicht mehr ertragen hätten.
Rudger von Plettenberg gehört zu denen, die unter der Straßenmusik leiden. „Das ist eine ziemliche Geräuschbelastung. Die Qualität mancher Musiker ist sehr gewöhnungsbedürftig“, klagt der Geschäftsführer des im Domforum ansässigen Gesamtverbandes der katholischen Kirchengemeinden der Stadt Köln. Telefonieren bei geöffnetem Fenster sei nicht möglich. Viele Musiker würden sich auch nicht daran halten, nicht länger als 30 Minuten an einem Standort zu spielen. „Oder sie spielen eine halbe Stunde lang dasselbe Stück.“
Einer, der die Entwicklung des Domumfelds schon lange beobachtet, ist Pflastermaler Ralf Ernst. Schon in den 1980er Jahren fotografierten Touristen seine Boden-Gemälde vor dem Dom. Stolz zeigt er eine Mappe mit Zeitungsberichten und einem Plakat, das Ernst und eines seiner Kunstwerke vor der Kathedrale zeigt. „Kunst am Bau“ ist auf dem Plakat der Stadt Köln zu lesen. „Damals hat die Stadt mit ihren Straßenkünstlern geworben. Heute will sie sie verbannen“, schimpft der 56-Jährige. Er könne verstehen, dass viele Menschen vom Getrommel und Geflöte genervt seien. „Aber die Maler stören doch niemanden.“
Dompropst Bachner sieht das ähnlich. Er kritisiert, dass das Verbot nicht nur Musiker, sondern auch Maler oder Pantomimen betreffe. Grundsätzlich begrüße er es zwar, das dass Thema Domumgebung und Missstände in den Blick genommen würden. Doch er befürchtet, dass das Domumfeld steril wird. „Wenn der Rat die Stadtordnung so beschließt, wird das kölsche Lebensgefühl zerstört.“ Stattdessen schlägt Bachner eine differenzierte Lösung vor: Dezibelgrenzen, keine Verstärker, zeitliche Begrenzung. Man könnte die Musiker auch - wie in München - vorspielen lassen, um eine Genehmigung zu bekommen. „Kleinkunst stört den Dom nicht. Sie gehört zum Dom dazu.“ (dpa)