Wie haben Sie als Schauspieler und Musiker die Situation in der Corona-Pandemie erlebt?
Gespräch „Viel Liebe für Exil-Unioner in Köln“
Köln · Der gebürtige Berliner Johann-Christof Laubisch ist Schauspieler und Rapper. Rap unterrichtet der Wahlkölner, der unter dem Künstlernamen Le First auftritt, an Schulen, um jungen Menschen die Ursprünge der Hip-Hop-Kultur näherzubringen.
Im Kinofilm „Je suis Karl“ stand Laubisch in der Rolle eines rechten Rappers vor der Kamera. Dass rechte Strömungen die Popkultur für sich vereinnahmen, beunruhigt den Musiker sehr. Am kommenden Sonntag (ARD, 20.15 Uhr) ist der Schauspieler in seiner neuen Rolle als KTUler Oliver Kordes beim Tatort aus Dortmund zu sehen. Wir haben vorab mit dem Kölner gesprochen.
Johann-Christof Laubisch: Die Film- und TV-Branche ist nach den beiden Lockdowns wieder gut zurück in die Spur gekommen, sodass ich im vergangenen Jahr viel gedreht habe. Bei der Musik hat sich dagegen gar nichts bewegt, da konnten wir kein einziges Konzert spielen. Ähnlich schwierig war es beim Theater, weshalb ich meinen Fokus jetzt mehr auf das Drehen für Film und das Fernsehen verlegt habe. Allerdings muss man schon erwähnen, dass die Kinos gerade stark mit Zuschauerverlusten zu kämpfen haben – das ist sehr schade. Das Kino darf nicht sterben. Deshalb freue ich umso mehr darauf, wenn endlich wieder die Normalität im gesamten Kulturbereich zurückkehrt.
Sie arbeiten nicht nur als Schauspieler, sondern schon lange auch als Rapper Le First. Jetzt standen Sie beim Kinofilm „Je suis Karl“ als rechter Rapper „Young Hate“ vor der Kamera. Was war das für eine Erfahrung?
Laubisch: Regisseur Christian Schwochow hatte einen Darsteller gesucht, der Schauspieler und Rapper ist und der Deutsch und Französisch spricht. Es ging dabei um die Rolle „Young Hate“ - ein rechtsradikaler Rapper. Mir war es zunächst wichtig, dass der Rapper im Film nicht mit mir privat als Rapper verwechselt wird. Aber die Rolle war klar angelegt und „Young Hate“ hat seinen Namen und seine Geschichte bekommen. Wichtig war bei meiner Zusage, dass ich mit Max Rieger die Songs für den Film machen kann, der schon als Produzent beim neuen Casper-Album gearbeitet hat. Mir war es wie bei anderen Rollen auch ein Anliegen, die Figur ernst zu nehmen und sie nicht zu karikieren. So ist ein spannender Kinofilm entstanden, den es ab März auch als DVD geben wird. Mir hat die Rolle Spaß gemacht. Der Reiz ist größer, sich in das Andere, in das Böse hineinzuversetzen und nicht nur das zu spielen, was einem nahe liegt. Ziemlich absurd war allerdings, dass es in den sozialen Medien und per Mail Anfragen gab, wo man die Songs aus dem Film bekommen kann. Das hat mich entsetzt. Wir haben ganz bewusst auf eine Veröffentlichung verzichtet, weil wir keine rechte Propaganda verbreiten wollten.
Wie sind Sie selbst zum Rap gekommen?
Laubisch: Ich bin in Berlin groß geworden, einer Stadt, in der man mit vielen Kulturen in Kontakt kommt. Die Hip-Hop-Kultur hat mich fasziniert, weil es dort nicht darum geht, wie man aussieht oder wo man herkommt. Da zählt nur das, was man kann. In der Schule hat ein Klassenkamerad in Referat über Eminem gehalten und ein Bekannter war in der Graffitiszene aktiv. So bin ich damit in Kontakt gekommen und in die Szene eingetaucht. Mit Graffitis hat alles angefangen und später bin ich dann zum Rap gekommen. Was mich beunruhigt ist, dass unsere Geschichte vom rechten Rapper kein Märchen ist, sondern dass es rechte Strömungen gibt, die den Rap und die gesamte Popkultur instrumentalisieren, um ihre Propaganda zu verbreiten. Dabei ist der Ursprung des Raps afroamerikanisch und wendet sich gerade gegen Rassismus und Ausgrenzung.
Sie haben auch schon Rap in Schulen unterrichtet.
Laubisch: Leider war das wegen Corona zuletzt weniger möglich, aber ich fange gerade wieder damit an. In Freiberg hat mich das Theater, an dem ich engagiert war, dabei unterstützt. In Köln gibt es den Kontakt über das Schauspiel. Die Schulen haben Lust darauf, Rapper einzuladen, um jungen Menschen diese Musik näherzubringen. In meiner Zeit standen Klassik und Notenlehre im Musikunterricht im Vordergrund. Mir hat der Bezug zur modernen Musik damals gefehlt. Und wenn jemand selbst Rapper ist, kann er das Thema den Schülern authentischer näherbringen, als ein Lehrer, der keinen Bezug zum Rap hat. Kinder und Jugendliche sind mit der Hip-Hop-Kultur groß geworden. Sie kennen viele Rapper und hören ihre Musik. Was sie oft nicht kennen, ist der Ursprungsgedanke des Raps und sie wissen nicht, wie man gute Texte schreibt. Das versuche ich zu vermitteln. Wichtig ist, dass die Texte nicht rassistisch oder sexistisch sind. Kraftausdrücke sind in Ordnung, da man über Sprache auch mit seinen Aggressionen besser umgehen kann. Aber alles muss im Rahmen bleiben. Das ist mit dem Boxsport vergleichbar.
Am 20. Februar sind Sie erstmals als KTUler Oliver Kordes beim Tatort aus Dortmund zu sehen. Wie sind Sie zu dieser Rolle gekommen?
Laubisch: Das lief ganz klassisch über ein Casting. Allerdings bin ich eigentlich für eine ganz andere Rolle im Tatort gecastet worden. Aber für den Regisseur habe ich besser in die Rolle gepasst, die ich jetzt spiele. Ich bin seit 2020 als Schauspieler freiberuflich unterwegs und der Tatort war da mein erstes großes Projekt. Ich habe mich total darauf gefreut, auch weil ich mit tollen Kollegen wie Jörg Hartmann und Anna Schudt zusammenarbeiten kann. Bei der Figur ist noch offen, wo Oliver eigentlich hinwill. Er steht in einem moralischen Zwiespalt, weil er sich zwischen der Wahrheit und der Loyalität zu seinem Team und zu seinen Vorgesetzten entscheiden muss. Das bedeutet für ihn einen ziemlichen Spagat.
Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Laubisch: Ich habe mir Videos mit Dokumentationen zur Arbeit der KTU angesehen und hatte auch eine Coach, der mich auf die Rolle vorbereitet hat. Es ging mir auch darum, was ich dieser Rolle mitgeben kann und möchte.
Schauen Sie sich selbst auch mal einen Tatort im Fernsehen an?
Laubisch: Ich gucke mir nicht alle Tatorte an, aber es gibt einige, die ich sehr gerne gemeinsam mit der Familie sehe. Das hängt auch immer von den Kollegen ab, die da mitspielen. Für mich sind vor allem die Tatort-Folgen aus Köln, Dortmund, Dresden und Saarbrücken spannend. Und ich mag den neuen Polizeiruf aus Halle.
Sie leben seit einiger Zeit in Köln, welche Beziehung haben Sie zu ihrer Wahlheimat?
Laubisch: Ich fühle mich hier sehr wohl, auch wenn es eine Weile gedauert hat, bis ich in der Stadt angekommen bin. Ich habe acht Jahre lang in Mecklenburg-Vorpommern und im sächsischen Freiberg in der Provinz gelebt. Bei der Rückkehr in die Großstadt ging es darum, ob ich wieder zurück in meine Komfortzone Berlin gehe, wo sich sehr viele Kollegen angesiedelt haben. Ich habe mich aber dagegen entschieden und bin nach Köln gezogen. Ich mag dort die Mentalität der Menschen sehr gerne, die sehr offen und freundlich sind. So habe ich schnell Anschluss gefunden und bin immer noch dabei, die verschiedenen Veedel kennenzulernen. Gerade im Kölner Süden bekomme ich als Exil-Unioner viel Liebe. In einer Fußballkneipe gibt es einen kleinen Fernseher extra, auf dem ich bei der Konferenz die Spiele meines Vereins Union Berlin verfolgen kann. Gerne man ich auch den Beethovenpark, der direkt bei mir vor der Haustür liegt. Ich pendele nach wie vor viel zwischen Köln und Berlin. Aber Köln ist die Stadt, wo ich wirklich zur Ruhe kommen kann.