Sammelleidenschaft Welt der Kunst- und Wunderkammern
Köln „ · Ich bin ein Sammler“, sagt der Mediziner Prof. Thomas Olbricht. Seine Sammelleidenschaft prägt den heute 76-Jährigen schon seit 72 Jahren. Mit Briefmarken hat bei ihm alles angefangen, bis heute sammelt der Essener diese kleinen Kunstwerke.
Dabei hat er sich inzwischen auf die ersten Briefmarken verschiedener Länder spezialisiert. Seit 50 Jahren sammelt Olbricht zudem bildende Kunst, wobei er sich hier auf das Werk des Kölner Künstlers Gerhard Richter spezialisiert hat.
Vor 25 Jahren ist seine jüngste Sammelleidenschaft mit Objekten aus den Kunst- und Wunderkammern hinzugekommen. Diese entstanden in der Renaissance und im Barock und gehörten Herrschern, Gelehrten und wohlhabenden Bürgern. Sie gelten als Vorläufer der heutigen Museen. Die Kunst- und Wunderkammern waren Orte der Repräsentation, der Unterhaltung und der vertiefenden Betrachtung. In ihnen verbanden sich Neugierde und Staunen mit einem neuen Wissensdrang und dem Interesse an naturwissenschaftlichen, technischen und künstlerischen Entwicklungen. Aus heutiger Sicht weisen einige der gesammelten Objekte eurozentrische und koloniale Denkmuster auf.
Eine „Fetzentödlein“ ist
Olbrichts Lieblingsstück
Das Lieblingsstück von Prof. Thomas Olbricht ist ein sogenanntes Fetzentödlein aus der Zeit um 1670. Dabei handelt es sich um eine vollplastische Darstellung des Todes als Skelett, von dem sich die verwesende Haut abschält. Die Skulptur aus Buchsbaumholz stammt aus dem Besitz des Modeschöpfers Yves Saint Laurent und wurde bei einer Auktion erworben.
Bei seiner großen Sammlung ist es Olbricht wichtig, seine Objekte mit anderen Menschen zu teilen. So leiht er regelmäßig seine Sammlerstücke an Museen aus und betreibt in seiner Heimatstadt Essen eine enge Kooperation mit dem Folkwang-Museum und einer Schule. Zehn Jahre lang hatte der Sammler in Berlin sein eigenes Museum, wo er vor allem Grundschüler mit Migrationshintergrund in die Welt der Kunst- und Wunderkammern einführte.
In der aktuellen Kölner Sonderausstellung „Perfect Match“ treffen bis zum 22. September seine Sammlerstücke auf ausgewählte Objekte aus der Sammlung des Museums für angewandte Kunst. Zu den Beständen des Makk gehören auch Sammlerstücke aus den kunstgewerblichen Beständen der Universalsammlung des Kölner Gelehrten Ferdinand Franz Wallraf, die den Grundstock bilden für das 1888 als „Kunstgewerbe-Museum“ eröffnete Haus.
„Ich bin mit der Präsentation in der Sonderausstellung sehr glücklich. Die Räume wirken wie eine mystische, dunkle Kammer, in der die 68 gezeigten Objekte erstrahlen“, sagt Olbricht. Die Schau ist in sieben Themenräume unterteilt. Bei „Makrokosmos im Mikrokosmos“ steht ein aufwendig gestalteter Kabinettschrank aus dem Ende des 16. Jahrhunderts im Mittelpunkt. Diese waren oft eine Miniaturversion einer Kunst- und Wunderkammer.
Bei „Repräsentieren und Bewundern“ geht es um das Zurschaustellen der eigenen Macht und des Reichtums durch kunsthandwerkliche Preziosen, wie bei Trinkgefäßen und anderen Schätzen auf einer gedeckten Tafel. Darunter befinden sich auch Scherzgefäße wie ein Becher mit Windmühle, der keinen Fuß zum Abstellen des venezianischen Glases hatte. Auch eine Pistole wird zum ausgefallenen Trinkgefäß. Dazu kommt ein wertvolles Flügelglas aus Flandern, ein Humpen mit Reichsadler oder eine ganze Armada mit Trinkgefäßen in Form eines Schiffes sowie wertvolle Bergkristallschalen.
Prunkhumpen aus Elfenbein
und Schneckenhäuser als Pokal
Im Raum „Natur ‚künstlich‘ gestalten“ werden aus geschnitztem Elfenbein Schraubflaschen und Prunkhumpen. Aus Steinen wie Achat oder Lapislazuli entstehen durch die Fertigkeit der Kunsthandwerker Pokale und Salzschalen. Zu den besonders wertvollen Objekten zählt ein Bernsteinspiegel aus Danzig in der Zeit um 1650. Naturbelassenheit und Schnitzkunst vereinen sich bei einem Deckelpokal aus Wurzelholz. Dazu kommen weitere Pokale aus einer Kokosnuss und dem Gehäuse einer Turboschnecke.
Exotisch sind auch die Objekte im Themenraum „Entdecken und Staunen“. Dazu zählen zwei außergewöhnliche Kettenflaschen aus Kokosnuss, auf denen die geschnitzten Reliefs unter anderem die Salbung von Saul und David zeigen. Ein weiteres Highlight ist der Humboldt-Pokal, der ebenfalls mit Schnitzereien auf Kokosnuss versehen ist. Diese stigmatisieren die indigene Bevölkerung als „Kannibalen“. Dazu kommen ein Korallenkruzifix, ein Parfümfläschchen aus einem Warzenschweinhauer, ein Pokal aus Rhinozeroshorn und eine Pulverflasche in Schildkrötenform.
Bei „Spielerisch Beherrschen“ geht es um aufwendige Drechselarbeiten aus Holz und um Spielbretter mit wertvollen Intarsien, wie der Darstellung des „Raubs der Helena“. Bei „Entdecken und Erforschen“ fällt der Blick auf den menschlichen Körper. Gezeigt werden hier Modelle des Ohrs und eines Auges oder das Modell einer schwangeren Frau mit Begleitbuch. Diese dienten als Prestigeobjekte für reiche Bürger.
Im letzten Raum „Mensch, Kunst und Tod“ finden sich unter anderem neben dem Fetzentödlein eine Reliefintarsie mit Festmahl und Sintflut, Anhänger mit Vanitassymbolik oder in Sargform sowie dreiansichtige Wendeköpfe, die die Gesichter einer jungen Frau, einer Sterbenden und eines Totenschädels zeigen.
Service: „Perfect Match“ bis 22. September, Museum für angewandte Kunst (Makk), An der Rechtsschule 7; Di-So 10-18 Uhr; Eintritt: 4, ermäßigt 2 Euro.