Mehr Flüchtlinge, mehr Helfer — und mehr offene Fragen

Im Moment leben 145 Flüchtlinge in der Stadt. Im Rathaus rechnet man mit 80 weiteren bis zum Jahresende. Aber das kann sich schnell ändern.

Foto: Doro Siewert

Burscheid. Anfang vergangener Woche sind neun Flüchtlinge in Burscheid angekommen, am Dienstag sechs, am Donnerstag soll mindestens ein weiterer kommen. Angesichts der Fernsehbilder und Meldungen aus den Großstädten wirkt das wenig. Aber bei einer Informationsveranstaltung vor wenigen Wochen hat die Bezirksregierung die Kommunen schon darauf vorbereitet: Bis die vielen Flüchtlinge aus den Erstaufnahmeeinrichtungen verteilt sind, dauert es eine Weile. Aber sie kommen. Im Rathaus rechnet man derzeit mit 80 weiteren bis zum Jahresende.

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Wie verlässlich diese Zahl ist, kann aber niemand sagen. Aktuell leben 145 Flüchtlinge in der Stadt. Die größte Gruppe bilden Syrer, Albaner und Serben, gefolgt von Flüchtlingen aus dem Kosovo, Mazedonien und Afghanistan. Aber auch einzelne Menschen aus Somalia, dem Libanon, Nigeria, der Mongolei oder Myanmar haben in Burscheid Zuflucht gefunden. Wer kommt, darauf hat die Stadt keinen Einfluss.

Das dringendste Problem ist die Unterbringung. In den drei städtischen Unterkünften auf der Luisenhöhe gibt es 84 Plätze, 78 davon sind aktuell belegt. Viele Flüchtlinge hat die Stadt inzwischen in angemieteten Wohnungen und Häusern untergebracht. Dort stehen jetzt in 14 Wohneinheiten weitere 60 Plätze zur Verfügung. Ein Dutzend Flüchtlinge sind darüber hinaus privat bei Angehörigen untergekommen. In der Summe gibt es derzeit also noch einen kleinen Puffer an Plätzen.

Aber auf Dauer wird das nicht reichen. Schon verhandelt die Stadt neben der Suche nach weiteren Mietwohnungen über den Ankauf von Gebäuden und Grundstücken. „Derzeit sind wir noch optimistisch, dass wir für alle, die in diesem Jahr noch kommen werden, Wohnraum zur Verfügung stellen können“, sagt Amtsleiter Dirk Runge. „Aber wenn der Anstieg der Zahlen ein dauerhafter Zustand wird, wird das für uns wie für jede andere Kommune schwierig.“ Auch der Einsatz von Containern kann für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Derzeit sind sie aber ohnehin nur schwer zu bekommen.

Im Rathaus ist inzwischen für das Flüchtlingsthema eine eigene Steuerungsgruppe gebildet worden: mit Bürgermeister Stefan Caplan, den Amtsleitern Dirk Runge und Christoph Haendeler. Experten des Hochbaus, der Finanzen und des Rechts. Alle zwei Wochen tagt die Gruppe, um die Lage neu zu bewerten.

Klar ist: Eine dezentrale Unterbringung erfordert auch mehr Personal. Mülltrennung, Benutzung einer Waschmaschine — solche und ähnliche Fragen müssen den Menschen mit teilweise kulturell ganz anderer Prägung schrittweise nähergebracht werden. Auch dafür kommen oft schon Ehrenamtliche zum Einsatz.

Aber die Stadt hat inzwischen die wöchentliche Stundenzahl der Sozialarbeiterin Monika Wagner schon von zehn auf 14 aufgestockt. „Und wir möchten diesen Bereich noch ausweiten“, kündigt Runge an.

Wagner hat nach ihrem Start im Frühjahr mittlerweile einen Stamm von 20 bis 25 ehrenamtlichen Helfern, deren Einsatz sie koordiniert. Ein Mutter-Kind-Sprachkurs ist dabei, der jetzt schon zweimal wöchentlich stattfindet. Daraus erwuchs auch ein Sprachangebot für die Väter. Eine andere Ehrenamtlichengruppe will sich bald für Sport- und Bewegungsangebote einsetzen.

Aber mitunter muss Wagner auch Orientierungshilfe leisten, wenn hilfsbereite Menschen bei genauerem Nachfragen nicht so recht wissen, wo sie helfen wollen und ob sie überhaupt Zeit für regelmäßige Einsätze haben. Und nicht jeder gute Wille ist auch zielführend, wenn Kleiderspenden einfach an den Unterkünften abgestellt werden, dort dann durchwühlt werden und der herumfliegende Rest für Verärgerung in der Nachbarschaft sorgt.

„Neben den Gruppenangeboten gibt es auch die Möglichkeit der Familienbetreuung“, sagt Wagner. Zur Entlastung der Helfer werden bestehende Familienhilfen möglichst doppelt besetzt. Aber bei allem Engagement gilt es zunächst die Bedürfnisse der Flüchtlinge selbst im Blick zu behalten. „Manche scheinen allein, sind es aber gar nicht, weil sie mit Bekannten in anderen Städten vernetzt sind.“ Und nicht jeder Flüchtling will ständig einen Begleiter neben sich haben.

So gehen Hilfsbereitschaft und interkulturelles Lernen zwangsläufig Hand in Hand. „Es gibt viele Ideen“, sagt Wagner, „aber die Frage ist, wie man sie dann zu den Flüchtlingen bringt.“ Flüchtlingshilfe ist also auch ein Herantasten — und langer Atem und Geduld sind dabei von Vorteil.