Abenteuer Mit dem Fahrrad ein Jahr lang um die Welt
Rhein.-Berg. Kreis. · Carsten Grüttner aus Wermelskirchen ist um die Erde gestrampelt. Nun berichtet er darüber.
18 100 Kilometer, 14 Länder, 12 Monate, 3 Kontinente: Carsten Grüttner ist mit dem Fahrrad um die Welt gestrampelt. In dem Multivisionsvortrag „Bikeload live“ berichtet der Wermelskirchener in Wort und Bild von seiner einjährigen Auszeit.
In der Lenneper Klosterkirche wird Grüttner am 27. Februar, 20 Uhr, von einem Traum erzählen, den sich der Geschäftsführer einer Kölner E-Commerce-Firma mit 45 Jahren erfüllte. Er quittierte seinen Job und ging mit seinem 26-Zoll-Trekking-Rad alleine auf Tour durch spannende wie unwegsame Flecken dieses Planeten. Alaska und Tibet setzten aufgrund der Reisezeit den terminlichen Rahmen für ein Abenteuer, das im Juli 2013 begann und im Juni 2014 endete.
In Australien erreichte er
seinen mentalen Tiefpunkt
„Was hat das gekostet?“, wird Grüttner stets gefragt. Das Budget nennt er nicht, denn sein Credo sei gewesen: „Es geht nicht um viel Geld, sondern um die Ansprüche, die man unterwegs hat. Du kannst in Bolivien für drei Euro am Tag leben“, sagt der Globetrotter, der auf 15 Jahre Fahrradreisen im Urlaub zurückblickte, bevor er seinen Langzeittrip in Angriff nahm.
Bei ihm habe es der gesunde Mix zwischen spartanischem Leben und ein wenig Komfort gebracht. Viel Zelten, ab und zu eine bessere Unterkunft. 17 Kilo wog das nackte Rad, über 35 Kilo Gepäck waren draufgesattelt, bisweilen zehn Kilo mehr, wenn Carsten Grüttner Wasservorräte für die Wüste mitschleppte. Wichtigstes Hilfsmittel war sein iPhone. Gut für die GPS-Navigation, zum Fotos versenden, um mit Freunden und Verwandten zu sprechen, der Einsamkeit unterwegs zu begegnen. Das Smartphone hielt die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin Anita stabil. Mit ihr blieb er im Austausch. „Via Skype, WhatsApp und E-Mail hatten wir ein intensives, erfülltes Reisejahr, an dem wir beide gewachsen sind.“ Viermal besuchte sie ihn. In Vancouver, Costa Rica, auf Bali und Sri Lanka gönnte er sich mit Anita vierzehntägige Radpausen.
In Südamerika radelte er durch Peru, Chile und Bolivien. Auf der landschaftlich traumhaften Lagunenroute in Bolivien setzte ihm aber die Höhenkrankheit schwer zu. Magen-Darm-Infekt, Kopfschmerzen, zwölf Kilo Gewichtsverlust, bitterkalte Nächte, Quälerei mit dem Rad durch tiefen Sand. „Da habe ich mich übernommen“, gibt Carsten Grüttner zu, wurde aber entschädigt durch einmalige Sternenhimmel und Begegnungen mit Flamingos an einsamen Salzseen. Die Einsamkeit prägt und sie verändert. Was sich Grüttner nie hätte vorstellen können: „Menschenansammlungen waren zwischenzeitlich nichts mehr für mich.“ Südlich von Melbourne in Australien erreichte er seinen mentalen Tiefpunkt. Immer weiter, immer etwas Neues, das wurde zu einer furchtbaren Vorstellung. „Meine Festplatte war voll, ich war satt an Eindrücken und hatte meine Freundin dreieinhalb Monate nicht mehr gesehen.“ Sie redete ihm zu, das Projekt nicht abzubrechen.
Der Wermelskirchener bereute es nicht, denn er erlebte nach Bali in Japan eine Kultur, die ihn bis heute nicht loslässt. „Dieser Respekt, Freundlichkeit und Höflichkeit haben mich tief beeindruckt.“ Als Karateka, Träger des 3. Dans, hatte ihm dieses Etappenziel am Herzen gelegen. Auch wenn die Verständigung schwierig war, so bleiben unter anderem die Begegnungen mit Großmeistern der Kampfkunst im Gedächtnis.
Für Osttibet (von Xining nach Dali) gab es nur noch ein vierwöchiges anstatt des erhofften sechswöchigen Visums, bevor er zum Abschluss der Weltreise mit seiner Anita auf Sri Lanka bei einer Ayurveda-Kur den Akku wiederauflud. Die Ankunft am Flughafen in Frankfurt war seltsam: „Ein komisches Gefühl, zu wissen: Jetzt geht es nicht mehr weiter.“
Zurück in der Heimat, sortierte sich Carstner Grüttner neu und erfüllte sich einen weiteren Traum: ein bunteres Alltagsleben. Er hat seinen Fachanwalt Arbeitsrecht gemacht und ist als Jurist nun selbstständig, er leitet Stadtführungen für Amerikaner in Köln und hält Vorträge über seine Weltreise. Ein eigenes Auto besitzt er nicht mehr („Car-Sharing tut’s auch“), er trennte sich von Schnickschnack in seiner Wohnung, die nun luftig eingerichtet ist. Vor allem eine Erkenntnis trägt ihn seither durchs Leben: „Der Glaube, dass es für alles eine Lösung gibt, ist in mir gestiegen.“