Neuanfang im Land der Eltern

Vor 18 Jahren sind Paula und Joaquim Negreiros nach Burscheid gekommen. Die Krise bei FM ist der Anlass, wieder nach Portugal zu ziehen.

Burscheid. Die Wirtschaftskrise kann Lebenswege bestimmen. Für Paula und Joaquim Negreiros war sie die Initialzündung, in der Mitte des Lebens noch einmal ganz von vorne anzufangen. Nach 18 Jahren kehren die beiden Portugiesen ihrer Wahlheimat Burscheid den Rücken und ziehen zurück in das Land ihrer Eltern.

Gastarbeiter nannte man sie früher. Der Einmillionste war 1964 ein Portugiese. Auch Joaquims Vater folgt 1971 dem Ruf der deutschen Wirtschaft. 25 Jahre ist er Arbeiter bei Goetze.

Sein Sohn kommt 1991 nach der Militärzeit in Burscheid an. Erst arbeitet er bei Vaillant in Remscheid, ab 1998 dann auch bei Federal-Mogul (FM), wie Goetze inzwischen heißt. Seine Freundin Paula folgt ein Jahr später, 1993 wird im portugiesischen Konsulat in Düsseldorf geheiratet. Tochter Andrea erblickt im Wermelskirchener Krankenhaus das Licht der Welt.

Die Brücke zur portugiesischen Heimat reißt nie ab. Möglichst einmal im Jahr tritt die Familie die Reise auf die Iberische Halbinsel an. Doch zuletzt klappt das nicht mehr wie gewünscht. Mal reicht das Geld nicht, mal passt dem Arbeitgeber die lange Urlaubsdauer nicht.

Aber Joaquim lebt ohnehin schon mit ständigem Heimweh. "Das Leben hier hat sich verändert. Und alles ist teurer geworden. Mit 700 Euro kann ich in Portugal dasselbe Leben führen wie hier mit 2.000 Euro."

Als FM im Zuge des Stellenabbaus im Frühsommer das Angebot zum Aufhebungsvertrag mit Abfindung unterbreitet, wägen die beiden vier Wochen das Für und Wider ab. "Aber die Kündigung hätte jeden treffen können. Und wenn wir es gewesen wären, hätte es keine Abfindung mehr gegeben", sagt Paula. "Also haben wir uns gesagt: Jetzt oder nie."

Ja, Joaquim macht sich Sorgen. "Das Leben kann besser werden, es kann aber auch schlechter werden." Eine Arbeit in der Heimat hat der 40-Jährige noch nicht, die Hoffnungen der beiden ruhen auf einer neuen Fabrik für Flugzeugteile, die entstehen soll, und der Eröffnung eines kleinen Flughafens in der Nähe von Évora. Die 50.000-Seelen-Stadt in Südportugal mit ihrer Altstadt, die zum Weltkulturerbe der Unesco zählt, soll der Familie ein neues Zuhause bieten.

Immerhin um das muss niemand bangen. Das große Haus von Joaquims Eltern steht den Heimkehrern offen. Es ist Platz genug für alle. "Ich freue mich und habe keine Angst. Was auf mich zukommt, das nehme ich", blickt Paula (40) zuversichtlich in die Zukunft.

Eine Zuversicht, die ihre Tochter noch nicht teilt. Um sie sorgen sich die Eltern vor allem. Zwar hat Andrea seit der Grundschulzeit einmal wöchentlich Portugiesischunterricht, aber das reicht nicht. "Ihre Sprache ist Deutsch, nicht Portugiesisch", sagt die Mutter.

Und dann sind da die Freundinnen an der Hauptschule. Un die Anerkennung, die sie unter den Lehrern genießt. Immerhin: In Portugal soll die 14-Jährige eine Schule besuchen, die Deutsch als Fremdsprache anbietet. Aber sie lässt viel zurück - vielleicht am meisten von allen.

"Ich werde Burscheid nicht vergessen. Das war mein zweites Zuhause", versichert Paula. Nicht viele Freunde habe sie hier, "aber gute". Auch Joaquim, seit Ende Oktober nicht mehr bei FM, denkt gerne an seine früheren Arbeitskollegen und die schönen Feiern. Nur mit dem Winter haben die beiden sich nie angefreundet: "In Portugal grillen wir das ganze Jahr."