Schminken im Fünf-Minuten-Takt

Bei einer Führung im Staatenhaus gibt es spannende Einblicke hinter die Kulissen des Kölner Opernbetriebs.

Köln. Wenn mehr als 110 Mitwirkende bei einer Oper wie „Turandot“ geschminkt werden müssen, bedeutet dies für die Mitarbeiter der Maske im Staatenhaus Großeinsatz. Dann wird zwei Stunden vor Beginn im Fünf-Minuten-Takt gearbeitet. Für so manchen Darsteller bedeutet dies trotzdem auch Minuten der Ruhe, bevor es auf die Bühne geht. Auf dem Weg dorthin begegnen Sänger und Musiker nicht selten ihrem Publikum.

Dies gehört zu den Besonderheiten in der Interimsspielstätte in Deutz, die seit zwei Jahren genutzt wird. Einblicke hinter die Kulissen des Opernbetriebs gab es am Freitagnachmittag bei einer Führung. Das Staatenhaus mit seiner Klinkerfassade wurde 1925 für die Kölner Messe gebaut, um für die Großveranstaltung „Pressa“ mit ihren sechs Millionen Besuchern aus aller Welt mehr Platz zu haben.

Später dienten die von der Messe aufgegebenen Hallen für Veranstaltungen wie den „Weihnachtsengel“ oder die Kunstmesse Art Fair als Heimstätte. Die Pläne, aus dem Staatenhaus eine neue Musicalspielstätte zu machen, liegen noch in der Schublade. Die Oper rechnet selbst damit, dass sie das Gebäude am Deutzer Rheinpark noch bis ins Jahr 2022 nutzen wird. „Wir freuen uns, wieder eine feste Spielstätte zu haben“, sagt Marketingchef Gunnar Reichert, nachdem die Oper zeitweise auch im Musical Dome, im Palladium und im Oberlandesgericht untergebracht war.

Im letzteren Gebäude musste am Freitagabend die Oper im Foyer komplett aufgebaut und am Sonntag nach der Vorstellung wieder abgebaut werden. „Das ist bislang unsere schönste Interimsspielstätte, aber perfekt ist sie nicht“, erklärt Reichert. Das gilt für die Klimatisierung genauso wie für die Tatsache, dass Maske und Einzelgarderobe nur durch eingezogene Zwischenwände getrennt sind und keine Decken haben, wodurch es in den Räumen auch schon mal etwas lauter wird. Für die Sänger gibt es daher extra abgeschlossene Kabinen zum Einsingen.

Foto: Stephan Eppinger

Dafür können die Räume im Staatenhaus flexibler genutzt werden, als dies im klassischen Opernhaus der Fall ist. „Turandot oder Tannhäuser hätte es in dieser Form am Offenbachplatz nicht gegeben. Turandot war die erste Oper, die speziell für das Staatenhaus inszeniert wurde.“ So verfügt der große Saal der Oper über eine Bühnenbreite von 27 Metern, am Offenbachplatz sind dies nur zwölf Meter. Dafür fehlt es an Höhe und Tiefe. Am Offenbachplatz geht es 26 Meter nach oben und neun Meter nach unten, wodurch ganze Häuser als Kulisse von der Decke einschweben können. „Das Staatenhaus ist ein gutes Provisorium, aber wir freuen uns natürlich auf die Rückkehr an den Offenbachplatz“, sagt Reichert.

Andererseits ist das Staatenhaus so flexibel, dass der Bühnengraben auch mitten auf der Bühne platziert werden kann, was einen besonderen Klang erzeugt. Dazu kommen Teile des Orchesters oder des Chores, die hinter der Bühne platziert werden, und die das Dirigat dann per Monitor verfolgen. „Damit kann man einen Chor aus der Ferne erklingen lassen und die Lautstärke verändern“, erläutert Reichert.

Zu den zentralen Positionen gehört der Platz des Inspizienten hinter der Bühne. Er macht beispielsweise die Ansagen, wann die Vorstellung beginnt und wann welcher Solist jeweils auf die Bühne muss. Dafür verfolgt er das Geschehen auf Monitoren und hat einen Klavierauszug mit Notizen vor sich liegen. „Das ist ein echter Schatz. Wenn er mal weg sein sollte, muss ich komplett von vorne anfangen“, sagt Chef-Inspizientin Kathrin Vinciguerra, die gerade bei der Beleuchtungsprobe in der Kinderoper sitzt. Dort feiert am 5. November „Das Rheingold“ für Kinder Premiere.

Was auf der Bühne zum Einsatz kommt, stammt aus der Requisite, die unweit der Maske im Backstagebereich ihren Platz hat. Dazu gehört auch eine Küche, wo alles, was auf der Bühne gegessen oder getrunken wird, hergestellt wird. Manchmal gibt es dort aber auch Fische aus Schaumstoff oder Schuhe und Taschen aus essbarem Fondant. Immer wieder müssen hier auch Dinge organisiert werden. So werden für die Fledermaus Schuhkartons gesucht, die mit Gold bezogen werden sollen. Und für „Manon“ werden noch Akkordeons gebraucht.

Nebenan in der Maske werden manchmal auch kleine Wunder vollbracht. So altern Darsteller mit Perücken und Schminke binnen kurzer Zeit um Jahrzehnte und bei einer Oper wie „Falstaff“ wird aus einem normalgewichtigen Sänger mit vollem Haar in kürzester Zeit ein Mann mit Glatze und 100 Kilo Übergewicht.

„Wir haben hier an der Oper viele verschiedene Berufe. Würden wir noch einen Bäcker und einen Metzger dazu nehmen, wären wir fast autark“, sagt Reichert schmunzelnd. Gegessen und getrunken wird auch in der Kantine, die im schönsten Bereich des Staatenhauses, im Konrad-Adenauer-Raum, untergebracht ist. Von dort fällt der Blick direkt auf den Tanzbrunnen.

Zu den Highlights im Foyer der Oper zählt der große beleuchtete Totenschädel von der Oper „Benvenuto Cellini“ — der mit viel Aufwand in den Werkstätten der Oper hergestellt wurde. Im Schädel befindet sich ein Schlafzimmer, die LEDs können Schriftzüge erscheinen lassen und aus der Stirn kam in der Vorstellung ein Laserstrahl. „Das ist das meist fotografierte Objekt hier und an Weihnachten gibt es für den Totenschädel wohl wieder eine Mütze“, sagt Reichert.