Sommerreportage: Platz am historischen Jugendstilbrunnen

Auf dem Platz am historischen Jugendstilbrunnen ist der Verkehr der Sieger in Sachen Akkustik.

Burscheid. Hier pulsiert Burscheid wie eine Großstadt. Wenn auch der Platz unter der Flügelnuss am historischen Jugendstilbrunnen inmitten blühender Pflanzen optisch einer Idylle gleichkommt: Akustisches Übergewicht beim Ruhesuchenden bekommt zweifellos der Lärmteppich der Höhestraße im Übergang zur Bürgermeister-Schmidt-Straße. 18 000 Autos rollen hier an „Spitzentagen“, so haben es Zählungen schon vor Jahren ergeben.

Auch die alten Kippen auf dem Boden vor den Bänken mögen nicht so recht zu dem kleinen, aber feinen Fleckchen Natur passen — aber das gehört wohl heute irgendwie dazu an öffentlichen Plätzen.

Wer Spaß an Frequenzen hat, die ein bisschen höher sind, als an geruhsamen Örtlichkeiten, ist dennoch genau richtig hier. Autofahrer suchen hektisch nach Parkplätzen vor den Geschäften an der Montanusstraße, Menschen rennen von links nach rechts und umgekehrt über die Straße, um ihre Erledigungen in den Läden zu machen. Es ist 12.35 Uhr, von anstehender Mittagsruhe und Ferienzeit kann nicht die Rede sein. Hier lebt die Stadt, die an anderen Stellen genau diese Resonanz vermissen lässt.

Apropos Resonanz. Der Fahrer eines kleinen Rollers müht sich knatternd mit einem Höllenlärm über die Kreuzung. Richtig schnell ist der ältere Herr in der Motorradmontur nicht. Gerade einmal 25 Stundenkilometer dürfte das Gerät schaffen. Wenig später ein anderer Rollerfahrer. Er ist deutlich weniger sicher bekleidet, er ist deutlich jünger — und sein Roller ist deutlich schneller. Geschwindigkeit hat für die Jugend immer noch Vorrang, auch wenn die Polizei sicher gerne mal ein Auge auf den Roller werfen würde.

Doch von den Ordnungshütern ist in dieser Stunde der Beobachtung weit und breit nicht zu sehen. Dafür sausen gleich sechs Taxis in 20 Minuten vorbei, die alle aus Richtung Montanusstraße kommen.

Wie eine Weltstadt erscheint die Stadt in diesen Minuten auch, als eine ältere Frau auf dem kleinen Platz erscheint und in den Papierbehältern nach etwas Brauchbarem sucht. Fündig wird sie nicht und geht mit ihrer Aldi-Tüte an der Hand weiter. Dafür setzt sich endlich ein weiterer Gast auf eine Bank gegenüber und leistet mir Gesellschaft. In der rechten Hand hält er einen Pappbecher mit Kaffee, in der anderen eine Papiertüte mit Backwaren.

Es ist Mittagszeit, kurz vor 13 Uhr, jetzt wird Pause gemacht. Doch zuerst nimmt der bärtige Herr mit den Arbeitsschuhen etwas anderes zu sich: Gemütlich rollt er sich eine Zigarette mit Samson-Tabak und inhaliert anschließend genüsslich den Qualm. Die Kippen auf dem Boden sind allerdings nicht von ihm. Es handelt sich um Filterzigaretten. Erst anschließend öffnet er seine Papiertüte und genießt ein weiteres Mal — diesmal ist es ein trockenes Teilchen.

Ein weiterer Gast lässt sich nieder. Einen ältere Frau, die aber nur zwei Minuten braucht, bis sie offensichtlich neue Energie getankt hat, um mit ihren Einkaufstüten weiterziehen zu können. Plötzlich wird es ganz ruhig. Für wenige Sekunden stehen weder Autos an der Ampel noch rollen welche über die Kreuzung Richtung Autobahn oder Federal-Mogul.

Das Plätschern des Brunnens wird zu einem geradezu durchdringenden Geräusch. Nur ein Mann, der gerade bei Grünlicht über die Kreuzung geht und per Handy telefoniert, stört die idyllische Kulisse.