Rundgang Stollwerck-Mädchen im Vringsveedel
Köln · So manche Sehenswürdigkeiten verstecken sich in Köln vor dem Auge des Betrachters. Das gilt zum Beispiel für den Löwenbrunnen auf dem unscheinbaren, kleinen Erich-Klibansky-Platz gegenüber des Pullman-Hotels.
Der Brunnen erinnert seit 1997 an die von den Nazis ermordeten Juden, die dort 1942 auf ihre Deportation warten mussten. Im 19. Jahrhundert waren rund um die St.-Apern-Straße viele jüdische Schmuck- und Antiquitätengeschäfte angesiedelt. Auch eine Synagoge sowie ein Lehrerseminar und zwei Schulen fanden sich dort. Schulleiter war der Spross einer Rabbinerfamilie, Erich Klibansky, der 1942 deportiert und bei Minsk erschossen worden ist.
Wer einige Schritte weitergeht, entdeckt auf einer kleinen Grünanlage den Helenenturm. Dieser war Teil der ehemaligen römischen Stadtmauer. Erhalten geblieben ist die nordwestliche Hälfte des Bauwerks. Der obere Teil des Turms ist allerdings zu einer späteren Zeit entstanden. Der Weg führt nun am Willy-Millowitsch-Platz sowie am Neu- und Heumarkt vorbei zum Rheinufer.
Dort bilden Totensteine an der Markmannsgasse das „Kalte Eck“. Während viele Passanten das zweieinhalb Quadratmeter große Rechteck gar nicht bemerkten, weil sie direkt in Richtung Rhein blicken, lohnt sich das genauere Hinschauen auf die in die Pflastersteine eingemeißelten Namen durchaus. Denn an dieser Stelle wird in Köln an die Menschen gedacht, die an Aids gestorben sind. Seinen Ursprung hat der Erinnerungsort im Projekt „Mèmoire nomade“ des Künstlers Tom Fecht.
Vom Rheinufer führt der Weg nun zur romanischen Kirche St. Georg. Dort findet sich als stiller Ort mitten in der hektischen Innenstadt ein kleiner Friedhof für die Toten des 2. März 1945. Wer sich auf eine der Bänke setzt und um sich schaut, hat das Gefühl auf einen Kreuzgang zu blicken. An den Wänden finden sich gemauerte Kreuze und Mosaike mit sakralen Motiven. Die Toten, die hier begraben wurden, sind Opfer der letzten von 262 Fliegerangriffen auf Köln. 22 Menschen starben Anfang März 1945 in St. Georg und fanden dort ihre letzte Ruhestätte.
Jetzt geht es beim Stadtspaziergang weiter über die Severinstraße zum Severinskirchplatz. Dort blickt das Stollwerck-Mädchen seit 1990 von einem Brunnen unweit der Kirche St. Severin auf die Passanten. Die vom Bildhauer Sepp Hürten geschaffene Skulptur blickt zurück auf die Schokoladenproduktion in der Stollwerck-Fabrik. Das Gesicht der Figur erinnert ein wenig an die Puppen im Hänneschentheater. Die Stollwerck-Mädchen waren Arbeiterinnen in der gleichnamigen Fabrik und genossen als Frauen, die nicht das klassische Rollenklischee erfüllten und nicht zu Hause am Herd standen, um 1900 einen zweifelhaften Ruf. Die Skulptur, die keck den Passanten Schokolade anbietet, steht für die emanzipierte Haltung als Arbeiterin.
Zum Abschluss geht es nun zum Brauhaus Früh em Veedel, wo Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll sein erstes Bier getrunken haben soll. Ein Besuch ist wie eine Zeitreise in gute alte Zeiten, etwas abseits der Touristenströme in der Altstadt. Im Volksmund wird das Veedelsfrüh auch „Invalidendom“ genannt, nach dem Ersten Weltkrieg trafen sich dort gerne Veteranen zu Bier und Schnaps. Errichtet wurde das Haus 1879 ursprünglich als Kornbrennerei.