Museum Ludwig Von Fotogeschichten über Picasso bis zum jüdischen Leben in Deutschland

Köln · Das Museum Ludwig hat trotz des verlängerten Lockdowns sein Programm für das laufende Jahr vorgestellt. Das Angebot ist sehr groß. Wir geben einen Überblick.

Peter Nestler zeigt Picassos Wirken in Südfrankreich in einem Film.

Foto: Peter Nestler

25. März bis 27. Juni: „Wolfgang-Hahn-Preis 2020, Betye Saar“

Es ist mehr als an der Zeit, die 1926 in Los Angeles geborene, in Deutschland bisher wenig bekannte Künstlerin Betye Saar zu würdigen, entschied die Jury. Saar schafft seit über 50 Jahren Assemblagen aus den verschiedensten gefundenen Objekten, die sie mit Zeichnung, Drucken, Malerei oder Fotografie kombiniert.

Die Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig hat die Assemblage „The Divine Face“ für die Sammlung des Museum Ludwig angekauft. Dieses wird gemeinsam mit einigen Papierarbeiten der Künstlerin vom 25. März bis 27. Juni in der Sammlung des Museums präsentiert. „In der US-amerikanischen Kunst nimmt Betye Saars Werk eine Schlüsselposition ein. Ihre Assemblagen aus den 1960ern und frühen 1970ern verknüpfen Fragen von Ethnie, Politik und übernatürlichen Glaubenssystemen mit ihrer persönlichen Geschichte“, sagt Gastjuror Christophe Cherix über Betye Saar.

Mit dem Wolfgang-Hahn-Preis werden Saars außerordentliche Leistungen und ihr Einfluss gewürdigt. Zugleich wird die Notwendigkeit anerkannt, dass die Geschichtsschreibung der Kunst der letzten Jahrzehnte überdacht werden muss.

27. März bis 11. Juli: „Fotogeschichten zur Migration“

Fotografien von Köln und weiteren Städten des Rheinlands zwischen 1955 und 1989 machen den stetigen Wandel durch die Bewohner sichtbar. Die Fotogeschichten von Arbeitsmigranten sind dabei kaum in das öffentliche visuelle Gedächtnis der Städte eingegangen. In der Ausstellung im Museum Ludwig stehen daher erstmals Privatfotografien im Mittelpunkt. In Interviews geben ihre Leihgeber über ihre vielfältigen Geschichten Auskunft. Sie erzählen über das Leben in der Stadt und wie sie durch ihre Einwanderung belebt wurde. Ihre privaten Fotografien zeigen auf, wie Straßen, Häuser, Geschäfte, Restaurants und Parks zu Trägern von Erinnerung und zum Teil der Stadtgeschichte werden.

Die Ausstellung thematisiert die Rolle der Fotografie in diesem Zusammenhang. Sie kombiniert diese neuen und überraschenden Stadtansichten mit den Fotografien urbanen Lebens von Chargesheimer, Heinz Held, Candida Höfer und Ulrich Tillmann aus der Sammlung des Museum Ludwig und ergänzt sie um Aufnahmen von Christel Fomm, Gernot Huber, Guenay Ulutuncok und anderen. Jenseits der flüchtigen Erfahrungen des Lebens in der Stadt zeigen die Fotogeschichten von Migration, auf welch vielfältige Weise man sich in einer neuen Stadt verorten kann.

12. Juni 2021 bis 8. August: „Grüne Moderne - Die neue Sicht auf Pflanzen“

„Ob wir das Wachsen einer Pflanze mit dem Zeitraffer beschleunigen oder ihre Gestalt in vierzigfacher Vergrößerung zeigen – in beiden Fällen zischt an Stellen des Daseins, von denen wir es am wenigsten dachten, ein Geysir neuer Bilderwelten auf.“ Diese Beobachtung notierte Walter Benjamin 1928 angesichts neuester fotografischer und filmischer Aufnahmen von Pflanzen, unter dem Mikroskop, im Zeitraffer. Nicht nur ihn sollten diese Bilder faszinieren. Die Kinos waren voll, als im Film „Das Blumenwunder“ Zeitrafferaufnahmen von Pflanzen ihr Lebendigsein ganz neu vor Augen führte. Dabei lagen dem „Wunder“ Laboraufnahmen von Experimenten mit dem ersten künstlichen Dünger zugrunde. Fotografische Vergrößerungen von Blättern, Knospen, Stielen abstrahierten die Pflanze bis zur Unkenntlichkeit, reduzierten sie auf die ornamentale Form und wurden in Buchform populär. Auch in Malerei, Grafik und Skulptur der Weimarer Republik grünte es.

Die Ausstellung schält Aspekte der grünen Moderne im Deutschland der Weimarer Republik heraus, die auch in der heutigen pflanzenaffinen Großstadtkultur weiter nachklingen. Werke von Aenne Biermann, Heinrich Hoerle, Karl Blossfeldt, Renée Sintenis, Karl Schmidt-Rottluff oder Otto Dix werden botanisch und gesellschaftshistorisch rekontextualisiert, um die neue Sicht auf Pflanzen in einer Zeit technischen, gesellschaftlichen Wandels schärfer zu konturieren.

3. September bis 9. Januar 2022: „Boaz Kaizman“:

Aus Anlass des Festjahres „2021 – 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ beauftragt das Museum Ludwig den Künstler Boaz Kaizman, eine große neue Arbeit zu entwickeln. Kaizman, geboren 1962 in Tel Aviv, lebt und arbeitet seit 1993 in Köln. Er hat ein medial vielfältiges und künstlerisch dichtes Werk geschaffen, dem das Museum Ludwig bereits seit längerem verbunden ist. Für seine Ausstellung erarbeitet Boaz Kaizman eine große Medieninstallation mit mehr als 20 unterschiedlichen Videos, die auf einer Fläche von rund 200 Quadratmetern gezeigt wird.

25. September bis 30. Januar 2022: „Der geteilte Picasso. Der Künstler und sein Bild in der BRD und DDR“

Was verbinden wir mit Pablo Picasso, dem berühmtesten Künstler des 20. Jahrhunderts? Und was haben unsere Eltern und Großeltern mit ihm verbunden, in der Nachkriegszeit, als sein Ruhm auf dem Höhepunkt war? Picasso schien damals zwei Persönlichkeiten zu haben, die einander völlig widersprachen. Für die einen war er ein einsames Genie, ein Macho und Mythologe. Für die anderen ein Pazifist, Kommunist und Menschenfreund. 

Welche Werke wurden im Sozialismus, welche im Kapitalismus gezeigt? Wie wurde Picasso vermittelt? Sah der Westen die Kunst, der Osten die Politik? Was sah der Künstler selbst? Die Ausstellung rekonstruiert die Ausstellungen der Nachkriegszeit und dekonstruiert die Mythen. Einen Schwerpunkt bildet die Picasso-Sammlung von Peter und Irene Ludwig, noch heute eine der umfangreichsten. Teile davon wurden mehrfach in der DDR ausgestellt.

11. Dezember bis 27. März 2022: „Raghubir Singh. Kolkata“

Der Fotograf Raghubir Singh kehrte über einen Zeitraum von zehn Jahren immer wieder nach Kolkata (das bis 2000 noch den Namen Kalkutta trug) zurück, um ein komplexes und vielschichtiges Fotoporträt der Metropole zu erstellen. Aufgewachsen in Jaipur, der Hauptstadt des indischen Bundesstaates Rajasthan, besuchte Singh Kolkata 1975 das erste Mal, bevor er seinen Lebensmittelpunkt nach Hongkong und Paris verlegte; später wohnte er in London und New York. Vor allem in seinen Straßenansichten verdichtet Singh die vielfachen Eindrücke Kolkatas in farblich und kompositorisch beeindruckenden Fotografien.

Die Farbigkeit ist für Singh kennzeichnend für Geografie und Kultur Indiens. In seinen Fotografien wird mit ihrer Hilfe die Aufmerksamkeit so über das ganze Bild verteilt, dass Vorder- und Hintergrund häufig wie auf einer Ebene erscheinen. Die unterschiedlichen historischen Zeitschichten sind auf diese Weise in der Fotografie gleichermaßen vergegenwärtigt. Singhs Fotografien sind die Hommage eines Kosmopoliten an eine kosmopolitische Stadt.