Wer mit „Nein“ stimmt, will den Straßennamen ändern

Am 22. Juni können 15 000 Burscheider abstimmen, ob Fritz Halbach eines Straßennamens weiter würdig ist.

Foto: Doro Siewert

Burscheid. „Soll die Fritz-Halbach-Straße ihren Namen behalten?“ Diese Frage hat eine ungeahnte Eigendynamik entwickelt, seit fünf Burscheider im September 2012 den Bürgerantrag auf Umbenennung gestellt haben. Am Sonntag, 22. Juni, können rund 15 000 abstimmungsberechtigte Burscheider die endgültige Antwort geben — beim ersten Bürgerentscheid in der Geschichte der Stadt.

So hitzig, wie die Frage diskutiert wurde, mag es erstaunlich wirken, dass sie im zurückliegenden Kommunalwahlkampf praktisch keine Rolle spielte. Aber das erklärt sich schlicht damit, dass sich alle politischen Fraktionen einig sind — und das sowohl im alten als auch im gerade neu gewählten Stadtrat: Der Straßenname soll geändert und damit ein 56 Jahre alter Ratsbeschluss aufgehoben werden. Dazu gibt es einstimmige Voten, auch Vorschläge für den neuen Straßennamen konnten schon bei der Stadt eingereicht werden.

Dem steht ein Bürgerbegehren entgegen, das es geschafft hat, knapp 1700 gültige Unterschriften für den Erhalt des Straßennamens zu sammeln. Jetzt wird der Heimatdichter Fritz Halbach (1879—1942), bis zu seinem Tod überzeugter Nazi-Anhänger, also zum Gegenstand eines Bürgerentscheids.

Mittlerweile ist der Versuch erkennbar, die Diskussion zu versachlichen. Bei der Ratssitzung zum Bürgerbegehren im April war das schon so. Und auch die Anwohner geben auf ihrer Internetseite zum Erhalt des Straßennamens den Gegenargumenten Raum — bis hin zur Verlinkung auf das von der Stadt in Auftrag gegebene Gutachten des Düsseldorfer Geschichtsprofessors Christoph Nonn, der Halbach bescheinigt, ein völkischer Ideologe, radikaler Antisemit und erklärter Gegner des Parlamentarismus zu sein.

Die Grenzlinie der Diskussion verläuft also offenbar nicht mehr entlang der Frage, ob Halbach ein Nazi war oder nicht. Das Gutachten wird von den Anwohnern erklärtermaßen nicht infrage gestellt. Entscheidend ist vielmehr die Frage nach den Konsequenzen aus diesem Wissen.

„Soll die Fritz-Halbach-Straße ihren Namen behalten?“ — diese Frage wird auch am 22. Juni auf den Abstimmungszetteln stehen, wenn von 8 bis 18 Uhr die vier Stimmlokale in der Hauptschule, der Grundschule Dierath, der EMA-Schule und der Freien evangelischen gemeinde Hilgen geöffnet sind. Wer „Ja“ ankreuzt, ist für die Beibehaltung, wer „Nein“ ankreuzt, will den Namen ändern.

Das Bürgerbegehren ist erfolgreich, wenn es die Mehrheit erzielt und diese zugleich mindestens 20 Prozent aller Wahlberechtigten ausmacht. Das sind rund 3000 Stimmen. Damit soll verhindert werden, dass bei geringer Beteiligung eine vergleichsweise kleine Bevölkerungsgruppe Ratsentscheidungen wieder kippen kann. In allen anderen Fällen (Mehrheit für die Gegner der Namensbeibehaltung, Stimmengleichheit oder Unterschreiten der 20-Prozent-Grenze bei den Ja-Stimmen) gilt das Bürgerbegehren als abgelehnt.

Schon jetzt kann im Rathaus (Raum 0.21) direkt abgestimmt werden. Auch Briefwahl ist möglich. Das Politikum liegt damit in der Hand aller Burscheider.