Zwischen Überraschung und Gefühlschaos
Das Theaterstück mit Gisela Nohl im Burscheider Kulturbadehaus hat das Leben mit Demenz zum Thema.
Burscheid. „Haben wir uns schon mal gesehen?“ „Du bist doch meine Mutter! Ich bin deine Hanna!“ Spätestens bei diesem Zwiegespräch, (das ein Wahrheit ein Monolog war), lief am Freitagabend den meisten der über neunzig Besucher im Kulturbadehaus eine Gänsehaut über den Rücken.
Auf der kleinen Bühne agierte die Kölner Schauspielerin Gisela Nohl in einem Atemzug als 59-jährige Tochter und deren 86-jährige Mutter. Ein Sonntagstreffen im Seniorenheim wie es schon seit drei Jahren üblich war. Für die demente Insassin bedeutete es jedes Mal eine Überraschung, für die besorgte Tochter dagegen ein Gefühlschaos.
Während sich auf der linken Bühnenseite die berufstätige Frau im Morgenmantel für ihre Zug- und Busfahrt zur Mutter bereit machte, erzählte sie dem Publikum einige prägnante Punkte aus Kindheit und Jugend, die etwas von ihrer gespaltenen Beziehung zum Elternhaus ahnen ließen.
Im Seniorenheim angekommen, kam die schauspielerische Leistung in erstaunlichem Maß zum Tragen. Tochter und Mutter redeten miteinander. Die Mutter ließ sich helfen, aus dem Bett zu steigen und sich zum Spaziergang anzukleiden. Mit gebeugtem Rücken, zittrigen Händen und leiser Stimme ging augenfällig nur eine Person durch den Park.
Sekundenschnelle Wechsel der Stimmen, eingespielte Rituale und kleine Gesten ließen aber für die Zuschauer keinen Zweifel an der Präsenz einer freundlichen, geduldigen Begleiterin. Beeindruckend auch die Sachkenntnis des niederländischen Autoren Joop Admiraal. Wie klar die Demenzbetroffene sich noch an Details von Ereignissen erinnerte, die bereits Jahrzehnte vergangen waren.
Ein Theaterstück ohne das übliche Happy End : eine Tochter, die sich weiterhin Sonntag für Sonntag auf den weiten Weg machen wird, um der Mutter überraschenden Besuch zu gönnen. Neunzig Minuten tief empfundene Anspannung im Saal und mehrere Sekunden lautlose Stille nach dem Löschen der letzten Bühnenkerze. Anschließend gab es dann immer wieder aufklingende Applausstürme.
Das Thema „Demenz“ steht bereits seit Anfang diesen Jahres an oberster Stelle für die Senioren- und Pflegeberatung Burscheid. In der Reihe entsprechender Veranstaltungen stellte dieser Theaterabend ein brisant hautnahes Bild in den Raum. Gemeinsam mit dem Kulturverein hatte Cosima Schächinger im Namen des Sozialen Netzwerks einen Termin mit Gisela Nohl vereinbart. Die freischaffende Schauspielerin ist mit diesem Stück für das DaS-Theater (Die andere Sicht), Köln, seit fast zwanzig Jahren unterwegs.
Wie sieht sie ihr Engagement gerade für dieses Thema? „Demenz ist in unserer Gesellschaft nicht mehr wegzuleugnen und wird immer dramatischer. Wir müssen uns dem stellen und zwar auf möglichst menschliche Weise. Diesen Doppel-Monolog habe ich bereits 250 Mal aufgeführt und ich werde solange weitermachen, wie es geht.“
Der Autor des Stücks konzipierte es 1981 ursprünglich für einen männlichen Darsteller. In dieser Form fand es eine Reihe bekannter Schauspieler als Protagonisten. Gisela Nohl ist die einzige Frau in dieser Rolle. Sie tritt ebenfalls in Kinderstücken auf und in Museums-Theatern.
In den lebhaften Besuchergesprächen nach der Vorstellung konnten die meisten von eigenen, ähnlichen familiären Situationen erzählen. Bärbel Scholz brachte ihren Eindruck vom dargestellten Inhalt auf den treffenden Punkt: „Genau wie im richtigen Leben!“