Druck wächst Das sind die Folgen des Astrazeneca-Impfstopps

Berlin · Der Druck ist hoch, dass die Corona-Impfungen in Deutschland bald schneller vorankommen. Und nun das: Einer der drei verfügbaren Impfstoffe wird vorläufig nicht gespritzt. Was bedeutet das?

Der Impfstoff von Astrazeneca darf vorerst nicht gespritzt werden.

Foto: dpa/Christophe Ena

Die Entscheidung platzte mitten hinein in einen laufenden Impftag. Das war auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) klar, wie er am Montag in Berlin sagte. Deutschland setzt jetzt wie schon einige andere europäische Länder den Corona-Impfstoff von Astrazeneca vorerst nicht mehr ein. Als „reine Vorsichtsmaßnahme“, um Auffälligkeiten in seltenen Fällen wissenschaftlich zu überprüfen, wie Spahn deutlich machte. Wichtige Fragen sind damit aber offen - was die Hoffnung auf Impf-Fortschritte angeht und das Impf-Vertrauen.

Warum nun der vorläufige Stopp für Astrazeneca?

Das zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) meldete sich am Mittag mit einer entsprechenden Empfehlung, wie Spahn erläuterte. Hintergrund seien sieben in Deutschland gemeldete Fälle von Thrombosen der Hirnvenen, die im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen stünden - bei inzwischen mehr als 1,6 Millionen Impfungen mit Astrazeneca. Der Tragweite dieser Entscheidung sei er sich sehr bewusst, sagte der Minister. Leicht gefallen sei sie ihm nicht. Es gehe aber klar um eine fachliche und keine politische Entscheidung. Daher folge er der Empfehlung des PEI. Und am wichtigsten für das Vertrauen in Impfungen sei Transparenz.

Wie lange soll der Stopp für Astrazeneca dauern?

Der vorgesehene Fahrplan liegt nun erst einmal auf Eis. Als nächstes prüft die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) die Sache und könnte idealerweise noch im Laufe dieser Woche zu einer Empfehlung kommen, wie Spahn deutlich machte. Schon an die Länder ausgelieferte Dosen sollen dort zunächst bleiben, anstehende weitere Lieferungen will der Bund vorerst in seinem Zentrallager lassen und nicht weiterverteilen.

Wie wichtig ist Astrazeneca für die Corona-Impfungen?

Für den Fortschritt der Impfungen sollte das Mittel von Astrazeneca eigentlich eine immer bedeutendere Rolle spielen. Es ist leichter auch in normalen Praxen zu lagern und muss nicht so aufwendig gekühlt werden wie das Präparat von Biontech. Gerade erst wurde Astrazeneca nach neuen Studiendaten auch für Ältere empfohlen und nicht nur wie beim Start nur für Menschen zwischen 18 und 64 Jahren. Und bis Ende März sollen mehr als zwei Millionen frische Dosen hinzukommen. Allerdings sollen auch die Mengen der anderen Impfstoffe vor allem von Biontech/Pfizer und Moderna stark hochgehen. Bei den bislang in Deutschland verabreichten Dosen macht der Impfstoff von Astrazeneca einen Anteil von 17 Prozent aus.

Was wird nun aus den Impfzielen für Deutschland?

Wie hart der Dämpfer für den Impf-Fortschritt ausfallen wird, ist ungewiss. Und zwar auch für die Zusicherung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), allen Bürgern bis zum Ende des Sommers am 21. September eine Impfung anbieten zu können - das stand ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass Lieferungen und Zulassungen wie geplant kommen. An diesem Mittwoch will Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder eigentlich über einen Impf-Turbo beraten - die Einbeziehung des Netzes der Arztpraxen wohl ab Mitte April. Nun ist auch das offen.

Worum geht es beim Astrazeneca-Mittel nun medizinisch?

Wie das PEI erklärte, zeigte die Analyse neuer Daten eine auffällige Häufung einer speziellen Form sehr seltener Thrombosen in Hirnvenen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen und Blutungen in zeitlicher Nähe zu Astrazeneca-Impfungen. Bei Hirnvenen-Thrombosen kommt es zu einem Verschluss bestimmter Venen im Gehirn durch Blutgerinnsel. Zentrales Symptom sind Kopfschmerzen. Daneben können Erkrankten etwa epileptische Anfälle, Lähmungen oder Sprachstörungen bekommen. Die Erkrankung tritt selten auf. Die große Mehrheit der Betroffenen sind Frauen unter 50 Jahren.

Ein Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) führt zu einer erhöhten Blutungsneigung. Er tritt auf, wenn zu wenig Blutplättchen gebildet, zu viele abgebaut oder sie falsch verteilt werden. Mögliche Ursachen dafür können etwa Infekte, Vitaminmangel, genetische Veranlagungen oder die Einnahme von Medikamenten sein. Als Symptome treten punktförmige Einblutungen in die Haut oder Schleimhäute auf, gelegentlich auch starkes Nasenbluten. Es gibt sehr seltene Situationen, in denen beide Ereignisse auftreten.

Könnte man ein anderes Mittel für die nötige zweite Dosis nutzen?

Noch läuft es so: Wer die erste Spritze mit Astrazeneca-Impfstoff erhält, bekommt auch die zweite von Astrazeneca. Theoretisch wäre es auch möglich, verschiedene Impfstoffe zu spritzen - das wäre Experten zufolge immunologisch wahrscheinlich kein Problem. Jedoch liegen zu einer solchen Mischung keine Studiendaten vor, auch eine Zulassung gibt es nicht. Der vorläufige Stopp dürfte aber zunächst kaum für Probleme bei der zweiten Dosis sorgen, so er nicht länger dauert: Zwischen Erst- und Zweitimpfung sollen bei Astrazeneca möglichst zwölf Wochen liegen, empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko). Nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) von Montag haben bisher gut 1,6 Millionen Menschen in Deutschland eine Erstimpfung erhalten - bei vielen ist noch Zeit, bis die zweite Dosis ansteht. Eine Zweitimpfung mit Astrazeneca erhielten bisher erst 217 Menschen.

(dpa)