Kunst im öffentlichen Raum Der Geysir von Monheim und die Demut vor dem unberechenbaren Leben

Monheim · In Monheim entsteht ein Kunstprojekt, das manchen als Beispiel für kommunalen Größenwahn und Geldverschwendung dient. Dabei hat es gerade die menschliche Selbstüberschätzung zum Thema.

Anfang April haben die Bauarbeiten für den viel diskutierten Geysir an der Monheimer Rheinpromenade begonnen.

Foto: Thomas Stricker/Monheim

Geysire neigen zu Eruptionen, unberechenbar, gewaltig. Bei dem Kunstprojekt „Monheimer Geysir“ wird das nicht anders sein. Doch noch bevor die Skulptur auf dem Kreisverkehr an der Rheinpromenade als markante Installation am Eingang zur Innenstadt ihre Wirkung entfalten kann, haben sich an ihr schon Eruptionen ganz anderer Art entladen. Dabei ging es um Geld, um Kostensteigerungen, um vermeintlichen Irrsinn wie eine Ampelregelung an einem Kreisverkehr. Um die Kunst ging es nicht.

Thomas Stricker zuzuhören, ist schon klanglich eine Freude. Die warme, sympathische Stimme des in St. Gallen geborenen Künstlers wird von einem unverkennbaren Schweizer Einschlag getragen. Da ist nichts Überdrehtes zu erkennen. Der 58-Jährige macht sich nur einfach viele Gedanken – darüber, was am besten an genau den Ort passt, der ihm zur Gestaltung überlassen ist. In Monheim ist er damit auf Geschwister im Geiste getroffen: „Unser Konzept für Kunst im öffentlichen Raum ist ortsbezogen. Es soll um Themen gehen, die mit der Stadt zu tun haben“, sagt Katharina Braun, Leiterin der örtlichen Kunstschule und verantwortlich für eben jene Kunst im öffentlichen Raum dieser Stadt.

Zwei Jahre ist es her, dass Thomas Stricker mit seinem Konzept einen Wettbewerb zur Gestaltung des prominent gelegenen Kreisverkehrs gewonnen hat. Für Monheim war es eine Freude und Ehre, damit einen international anerkannten und gefragten Installationskünstler in die Stadt holen zu können. Für Stricker, der schon lange in Düsseldorf lebt und arbeitet, wurde damit aber auch eine Befürchtung wahr: Dass er irgendwann einmal gefragt werden könnte, einen Kreisverkehr zu gestalten.

Sein Vorbehalt: Diese Form der Verkehrsregelung wirkt vielerorts wie eine Art Sockel, der nur noch darauf wartet, dass irgendein Kunstwerk darauf platziert wird. „Diese Sockelskulpturen stehen aber oft für eine Kunst, die eigentlich nicht ortsspezifisch ist.“

Im September gab es für den geplanten Monheimer Geysir einen aufwendigen 1:1-Probelauf auf dem Gelände der Brunnenbaufirma Minkenberg in Heinsberg.

Foto: Thomas Stricker/Monheim

Also hat er versucht, die Reihenfolge gedanklich umzudrehen. Der Geysir und die Landschaft, in die er eingebettet ist, sollen am Ende so wirken, als seien sie schon immer dort gewesen und der Verkehr habe sich notgedrungen seinen Weg um sie herum gesucht. Dass der nahe Rhein die Auseinandersetzung mit dem Element Wasser befördert hat, kommt hinzu. Vor allem aber ist der Monheimer Geysir ein Bild für die Unberechenbarkeit des Lebens.

„Der Geysir bricht aus, wenn die Natur es sagt“, beschreibt Stricker sein Konzept. „Wann die Zeit gekommen ist, liegt nicht in Menschenhand.“ Welches natürliche Kriterium am Ende den Impuls gibt, dass der Geysir seine Wasserfontäne zwölf Meter in die Höhe schießt, darüber spricht der Künstler nicht. Für ihn ist das Projekt „ein kraftvolles und gleichzeitig demütiges Plädoyer für den Einbezug des Ausgeliefertseins als Teil des Lebens“. Die Funktion des Kreisverkehrs wird das ganz praktisch dergestalt beeinflussen, als während des Ausbruchs ein Verkehrsfluss nicht möglich ist.

Die zwei Jahre alte Projektidee findet angesichts der Coronakrise so unmittelbar ihren Widerhall in der Wirklichkeit, dass die Vergleiche fast schon wieder zu platt wirken – zumal, wenn man weiß, dass der Brunnenbauer für den Geysir ausgerechnet in Heinsberg beheimatet ist. Aber zugleich haben sich seit dem Wettbewerbserfolg „die künstlerische Vision, rechtliche Vorgaben und technische Sachzwänge verhakt“, sagt Stricker. Das ist der Hauptgrund für die Zeitverzögerung bei der Umsetzung und auch für die Kostensteigerung.

Der Künstler Thomas Stricker bei seiner Performance „Wanderung über dem Nebelmeer“ im vergangenen Jahr. Nebel wird auch bei der Gestaltung der Geysir-Insel in Monheim eine Rolle spielen.

Foto: Thomas Stricker/Monheim

Großer technischer Aufwand für die Wirkung natürlicher Prozesse

Ein Lärm- und ein Windgutachten waren nötig. Zudem muss für die Wirkung natürlicher Unberechenbarkeit ein großer technischer Aufwand betrieben werden – so groß, dass der ursprüngliche Plan, die Steuerung im Kreisverkehr selbst unterzubringen, nicht realisiert werden konnte. Stattdessen wird der unterirdische Technikraum jetzt in einem nahen Parkplatz untergebracht. Das führe zu Mehrkosten, sagt Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann (Peto). „Durch das städtische Kunstbudget ist das aber ausreichend abgedeckt.“

Trotzdem hat sich unter anderem der Bund der Steuerzahler (BdSt) inzwischen an dem Projekt festgebissen. Als der Rat vor zwei Jahren seine Zustimmung gab, lag die Kostenschätzung bei 415 000 Euro. Jetzt werden es wohl an die 600 000 Euro werden, ein Plus von knapp 50 Prozent. Eine eigentlich nie vorgesehene Baustellenampel soll jetzt bei den Ausbrüchen für die nötige Verkehrssicherheit sorgen.

Die Verantwortlichen in Monheim sind dennoch gewiss, dass der Monheimer Geysir am Ende überzeugen wird. Seit im September 2019 ein Bus mit Vertretern der Stadt bei dem beauftragten Brunnenbauer Minkenberg vorfuhr, um einen aufwendigen 1:1-Probelauf mitzuerleben, herrscht wieder Zuversicht – auch wenn die ursprünglich für den 13. Juni vorgesehene Einweihung nicht zu halten sein wird.

Zwar haben Anfang April die Bauarbeiten begonnen, aber zumindest am Technikraum unter dem Parkplatz ruhen sie schon wieder. Testbohrungen hatten den Verdacht auf einen möglichen Bombenfund ergeben. Da im Fall der Fälle aufgrund der Corona-Verordnungen aber keine Evakuierung der Anwohner möglich wäre, ist Geduld gefordert. „Stellen Sie die Frage einem Virologen“, sagt Stricker, wenn man ihn auf die Fertigstellung anspricht.

Der Künstler wird derweil zusammen mit einem Garten- und Landschaftsbauer an der Gestaltung der Geysir-Insel arbeiten. Denn auch wenn keine gigantische Fontäne für Aufsehen sorgt, soll dort ein von Island inspirierter, geheimnisvoller und nebelumhüllter Ort entstehen, „wo sich etwas tut, was man nicht richtig einordnen kann“. Ein Ort der Demut des Menschen vor der Natur. Stricker ist überzeugt: „Wir gehen viel zu selbstüberschätzend durch die Welt.“