Zum Tod von Claudia Sies Analytikerin des Zwischenmenschlichen
Düsseldorf · Die Psychoanalytikerin und Autorin Claudia Sies ist nach langer Krankheit gestorben.
Innere Freiheit, Wachheit in Beziehungen, Selbsterkenntnis, die zu einem erfüllteren Leben befreit, das waren Themen, die Claudia Sies als Therapeutin umgetrieben haben. Mit zahlreichen Büchern hat die Psychoanalytikerin Claudia Sies ihre Leser für den aufklärerischen Blick auf sich selbst und die Gesellschaft sensibilisiert. Sie hat oft an Beispielen vorgemacht, wie man erkennt, was hinter dem alltäglichen Geschehen liegt. Wie man unterdrückte Motive, verheimlichte Gefühle, stille Erwartungen entlarvt. Sie hat das mit Freude am Denken getan, mit einer kämpferischen Haltung, wenn es um die Befreiung von Frauen aus engen Rollenmustern ging, und mit Liebe zum Menschen mit all seinen Selbstzweifeln, verdrängten Gefühlen und Verstrickungen. Am vergangenen Sonntag ist Claudia Sies gestorben.
Offenheit, Lust auf Austausch, Freude am Denken der anderen, das hat sie auch jenseits ihrer therapeutischen Arbeit angetrieben. So gehörte sie zu den Mitgründern einer ungewöhnlichen Filmreihe, die bis heute einmal im Monat für einen ausverkauften Kinosaal im Düsseldorfer Filmmuseum sorgt: „Psychoanalyse und Film“. In dieser bereits vor mehr als 20 Jahren gegründeten Reihe werden Filme aller Genres und aus allen möglichen Zeiten gezeigt und danach psychoanalytisch gedeutet.
Im Kino geschieht seither genau das, was Sies in all ihren Publikationen und in ihrer psychotherapeutischen Praxis getan hat: Motive erforschen, Menschen ermächtigen, ihr Erleben und Handeln besser zu verstehen. Sie selbst hat es zu Beginn der Filmreihe so formuliert: „Inzwischen nimmt jeder von uns wohl mehr oder weniger an, dass es noch mehr an uns gibt als das, was wir bewusst denken, wollen und wünschen. Dass es da einen Bereich in uns gibt, der uns auf seltsame Weise trägt, uns aber auch ungewollt in unserem Leben dazwischenfunkt, der uns träumen lässt oder gar unsere Berufs- oder Partnerwahl wie von unsichtbarer Hand beeinflusst.“
Angetrieben von diesem Wissenwollen, hat Sies auch in ihrem privaten Umfeld immer wieder Menschen zusammengebracht. Als großzügige Gastgeberin hat sie die Tradition des Salons gepflegt und für Austausch in der Stadtgesellschaft gesorgt. Geboren 1940 in Prag, wuchs sie in Leipzig auf, ging 1960 in den Westen, studierte in München Medizin und ließ sich zur Psychoanalytikerin ausbilden. 1979 kam sie, inzwischen Mutter zweier Kinder, nach Düsseldorf. Sie arbeitete am Psychoanalytischen Institut und gründete 1996 gemeinsam mit Wolfgang Tress die Akademie für Psychoanalyse und Psychosomatik.
Sie war eine Frau in der Öffentlichkeit, eine, die Diskussionen anregen und mitgestalten wollte. Dazu hat sie viele Kanäle genutzt, hat sich in populären Ratgebern und zahlreichen Interviews um die Vermittlung ihres Wissens bemüht. Und sie hat im Kinosaal immer am letzten Freitag im Monat das Publikum zu „Psychoanalyse und Film“ begrüßt. Das war nun schon länger nicht mehr möglich, nach langer Krankheit ist Claudia Sies nun gestorben. Ihr Denken, das so viele Ausdrucksformen gefunden hat, wirkt weiter.