Vier Künstler kreieren am Mörsenbroicher Ei Kunstschaffende am Mörsenbroicher Ei

Düsseldorf · Am Mörsenbroicher Ei bevölkern vier alternative Kunstschaffende die Ando Future Studios, darunter auch das Multitalent Tomas Kleiner.

Tomas Kleiner, Anna Deilmann, Aurel Dahlgrün, Maxi Hoffmann und Daria Nazarenko (v.l.) vor den neuen Studioräumen am Mörsenbroicher Ei.

Foto: Helga Meister

Kein Jungkünstler hat in Düsseldorf mehr Preise abgeräumt als Tomas Kleiner. Im Gespräch behauptet der Meisterschüler von Gregor Schneider sogar, er könne das Glück herausfordern, indem er zur rechten Zeit am richtigen Ort sei. So stieß er auf Anna Deilmann, deren Großvater einst den Fernsehturm gebaut hatte. Der eloquente Künstler redete ihr sein Fallschirmprojekt „Absprung“ ein, wobei er 101 Frühkartoffeln an extra produzierten Fallschirmen vom Rheinturm fallen lassen wollte.

In seiner absurden Idee fühlte er sich von Jean Tinguelys Flugblattabwurf über Düsseldorf bestätigt, dachte aber auch an Sigmar Polkes humorige Kartoffelmaschine. Für seine utopische Kartoffelsorte, die auf Bäumen und in Dachrinnen hätte wachsen können, bekam er erstaunlicherweise das Okay bei allen Behörden. Nur die Deutsche Funkturm, eine Tochter der Telekom, machte nicht mit. Das sei ein schlechtes Vorbild für die Gesellschaft, von der Plattform des Turms Gegenstände zu werfen, erklärte sie.

Er war sich seiner Sache am Fernsehturm so sicher, dass er schon Verkehrsschilder mit Kartoffelsymbolen und Fallschirmzeichen entworfen hatte. Zwei Tage vor dem Start im vergangenen Jahr wurde die Aktion verboten. Aber Anna Deilmann war ja noch da, und sie vermittelt hauptberuflich Künstler für Zwischennutzungen von Abbruchhäusern an Großfirmen. Eines Tages las sie in der Zeitung einen Artikel über Tadao Andos Highlight für Düsseldorf und wandte sich an den Chairman des Investors Euro Atlantic. Nun sind gleich vier Künstler mindestens für zwei Jahre froh und zahlen einen symbolischen Atelierpreis von 50 Euro. Tomas Kleiner ist inzwischen auch Gleitschirmpilot.

Als erstes kam Aurel Dahlgrün hinzu, Ehrenhof-Preisträger und Meisterschüler von Christopher Williams. Er ist ein ähnlicher Tausendsassa der Künste wie Kleiner, denn er wurde mit einem Luftentfeuchter berühmt, der ihm das Kondenswasser aus seinem Raum in einem Becken sammelte, sodass er es als Foto-Emulsion betrachten konnte.

Auf Grönland fotografierte Aurel fünf Meter unter Wasser das Eis

Er beschäftigt sich aber nicht nur mit der Spiegelfläche des Wassers, sondern liebt Hobbys wie Angeln, Tauchen, Fischzucht und Aquaristik. Nebenbei ist er als Eistaucher ausgebildet. Im April fuhr er mit seinem Bruder Sylva nach Grönland, stülpte sich Trockenanzug und Taucherhandschuhe über, schlug ein Loch ins Eis und tauchte ab, bewaffnet mit einem Unterwassergehäuse für seine Digitalkamera. Sylva fotografierte mit einer Drohne das ewige Eis von oben, und Aurel tat es fünf Meter unter der Eisdecke.

Während Kleiner abhebt und Dahlgrün abtaucht, bleibt Tänzerin und Performerin Daria Nazarenko am Boden. Sie kommt aus Russland, wanderte als Achtjährige 2001 ein und steht kurz vor dem Akademie-Abschluss bei Dominique Gonzalez-Foerster. Sie schwört auf performative Kunst, Urban Dance und Freestyle. Sie betreut die große Halle mit dem Tanzboden und will Musiker und Tänzer einladen. Letztlich versucht sie, die Jugend zu gewinnen. Soeben präsentierte sie eine eigene Choreografie, in der sie ihre Anregungen aus der „Ecole des Sables“ im Senegal verarbeitete, einem der wichtigsten Länder für den afrikanischen Tanz. Jede Person soll zur Gemeinschaft gehören, denn die Partizipation soll auch am Mörsenbroicher Ei im Vordergrund stehen.

Vierte im Bunde ist Maxi Hoffmann. Diese Quereinsteigerin, wie sie sich nennt, hat keine Kunstakademie besucht, sondern bei ihrer Mutter gelernt, einer Keramikerin aus Chemnitz. Sie selbst startete vor fünf Jahren mit Produkten an der Schnittstelle von Design, Handwerk und Kunst. Sie benutzt beim Brennen eine Glasur, die Gase entwickelt und auf dem feuchten Ton Blasen erzeugt, wodurch ihre Gefäße leicht verfremdet sind.

Anna Deilmann gehört von Amts wegen dazu. Ihr Großvater habe oft mit Künstlern zusammengearbeitet. Sie selbst machte sich vor acht Jahren selbstständig und entwickelt kunstbezogene Events wie das Projekt für den neuen Tadao Ando Campus. Sie bringt Investoren für Großneubauten dazu, während der jahrelangen Planungsphase die Altbauten nicht abzureißen, sondern für Künstler und Start-up-Büros temporär bereitzuhalten. So kam auch die Viererbande in den Genuss von Räumen, in denen zuvor die Smarts von Mercedes standen. Sobald der Grundstein für Hotel, Ärztehaus, Markthallen oder Büros geplant ist, müssen sie allerdings das Feld räumen. Sie hofft aber, dass der Investor wenigstens ein Plätzchen für kreative Berufe auch in Zukunft freihält.