3D-Fotos: Heute werde ich eine Skulptur
In der Altstadt bietet die Firma Deep End 3D-Fotos an — Menschen als Figur. Zu so einer wurde unsere Autorin.
Düsseldorf. Markus Kraus zieht den Vorhang zu. Jetzt ist ringsum nur noch weißer Stoff. Wie in einem Beduinenzelt — oder auf einer Isolierstation, wo schwer ansteckende Patienten von Pflegern mit Atemmaske umsorgt werden. Nur dass mich 40 Augen anstarren. 40 Sensoren genauer gesagt, die durch Löcher im Stoff ragen.
Es sind umgerüstete Kameras. Genau in der Mitte des Zeltes muss ich stehen. Von der anderen Seite des Vorhangs zählt Sascha Cramer runter: „Zwei ... eins ...“ Dann erfüllt ein einziger weißer Blitz das Zelt. Das war es. Alles vorbei. So werde ich zur Skulptur.
Seit Anfang des Jahres bietet die Firma „Deep End Productions“ in der Liefergasse 3D-Fotografien an. Das sind in der Tat genaue Abbilder der Kunden — wie bei einem Foto. Nur eben dreidimensional. Also als kleine Figur. Und das will ich ausprobieren. Eine Ich-Skulptur aus Gips-Polymer — und innen wird die Mini-Journalistin ganz und gar hohl sein. Na so etwas.
Schon wenn man durch die Tür an der Liefergasse kommt, ist man von kleinen Menschen umgeben. Überall stehen sie auf Regalbrettern. Und ein ganz großer Mensch: Ein lebensgroßer Ronaldo mit fast schon auf garstige Weise naturgetreuen Zähnen im offenen Mund sprintet Richtung Schaufenster — eingefroren und grau in grau. Er war eine Auftragsarbeit für den brasilianischen Fußballverband.
„Etwa 20 000 Euro kostet eine solche lebensgroße Figur“, sagt Markus Kraus, Mitbegründer von Deep End. Die handelsüblichen 3D-Fotografien gibt es deutlich günstiger: 15 Zentimeter kosten 179 Euro, 20 Zentimeter 249 Euro und 25 Zentimeter 329 Euro. Extras werden auch extra berechnet. Der Fiffi auf dem Arm, das lässig an den Körper gelehnte Snowboard. Und Extras haben viele der Figuren in dem Ladenlokal.
„Bei den meisten Kunden geht es darum, Momente zu verewigen“, erklärt Kraus’ Partner Vladimir Puhalac. „Angefangen bei der Mama, die ihre Schwangerschaft festhalten will. Oft sind es Geburtstagsgeschenke. Und was immer mehr kommt, sind die Haustiere.“ Im Regal stehen etwa ein Zauberer in seinem Cape, ein Soldat in voller Kampfmontur — und ein Leichtathlet, der sich mit nacktem Oberkörper in der Pose eines griechischen Adonis hat scannen lassen. Ein Waschbrettbauch kann eben auch etwas sein, das man für die Ewigkeit festhalten will.
Aber auch Promi-Miniaturen fallen auf: Der ehemalige Fußballprofi Christian Ziege steht dort neben Handball-Ass Stefan Kretzschmar. Und darüber Surf-Weltmeister Bjørn Dunkerbeck — in zwei Größen und mit dem Original-2D-Foto im Rahmen als Vergleich. Klein- und Groß-Dunkerbeck ähneln sich in der Tat aufs Haar.
Über die Nachfrage, ob man denn eigentlich auch noch hier und da etwas verändern, optimieren könnte, ist Markus Kraus nicht überrascht. „Wir haben solche Fragen natürlich oft — ob wir jemand zum Beispiel schlanker machen können.“ Die Antwort lautet: Ja, können sie. „Aber letztlich entscheidet sich eigentlich niemand wirklich dafür.“ Schließlich gehe es um das totale Abbild. Mit allen Fehlern.
Und der Gedanke an all jene macht dann doch nervös, als es die Treppe hinunter in den Keller geht, wo das Beduinenzelt mit seinen Sensoren steht. Im Inneren zupft Markus Kraus noch ein paarmal an meinen Haaren herum — denn die Gesichtsform muss gut zu sehen sein.
Es werden ja nicht nur die 40 Fotos gemacht. Sondern ein echter 3D-Scan, der die komplette Geometrie des Körpers erfasst. „Die Fotos sind eine Referenz“, erklärt Kraus. Und wichtig für die Farben, die Textur von Kleidung, Haaren, Haut. 800 000 Farben nimmt der Scanner auf. „Die Farbe wird später beim Bauprozess dann direkt eingeschossen“, erklärt Kraus.
So viel passiert also in diesen 0,01 Sekunden, in denen ich den weißen Blitz sehe. „Noch kurz warten“, ruft Kraus von draußen. „Die Fotos laufen jetzt ein, wir schauen direkt, ob alles in Ordnung ist.“ Ein paar Sekunden hört man nur Gemurmel, dann kommt das erlösende „Okay!“.
Vier Tage später ist es so weit: Ich hole mich ab. Ein seltsames Gefühl ist es, seinen eigenen Körper in Miniatur zwischen den Fingern zu drehen und zu wenden. Die erste Erleichterung: Der Anblick von hinten ist gar nicht mal so schlimm. Die Nase ist ein wenig anders als das Original, behaupte ich. Aber die Ähnlichkeit mit der kleinen Journalistin ist dennoch gigantisch. Wo sie in Zukunft stehen wird, ist noch unklar — man will ja auf Besucher schließlich nicht narzisstisch wirken. Erst mal kommt die kleine Figur in Polsterfolie und einen Karton. Vorsicht ist geboten: Ich bin zwar hohl, aber auch sehr zerbrechlich!