Achterbahnfahrt für die Sinne

FH-Studenten zeigen ihr Düsseldorf: Kantig, bunt, lebendig. Eine Schau voller guter Ideen.

Düsseldorf. Aras Plattenladen ist ein Ort der Lebensweisheiten. Inmitten seiner Schätzchen aus Vinyl steht Besitzer Arames Zelinska und philosophiert über schicksalhafte Abende mit schlechter Musik, die man nur aus Rücksicht auf den Gastgeber erträgt. Das ist Sprücheklopfen mit Niveau.

Roman Tönjes hat Aras Plattenladen liebgewonnen. Der Student, Ex-DJ und Plattensammler findet, dass das Oberbilker Geschäft ein wunderschönes Stück Düsseldorf ist, und ihn wundert, dass die Hochglanzbroschüren, die Flingern zu Düsseldorfs Notting Hill aufpimpen, den Retroladen noch nicht entdeckt haben.

Die sind nun mal in einem anderen Film, meint Fachhochschulprofessorin Anja Vormann. Statt mit Menschen klotzten die Werbeprospekte mit Zahlen, trumpften mit Wirtschaftsfaktoren wie Flughafen und Messe auf. „Das unperfekte und darum interessantere Düsseldorf bleibt auf der Strecke“, meint die Künstlerin.

Aus dem Mangel machten Anja Vormann und ihr Kollege Reiner Nachtwey vom Institut für Design eine Semesteraufgabe: Die Studenten sollten ihre Düsseldorf-Geschichte erzählen; sie als Film präsentieren, Video, Musikclip, Fotostory, ganz egal wie. „Wir haben keine Vorgaben gemacht“, betont Vormann.

Allein auf den Einfallsreichtum ihrer Studenten habe sie sich verlassen. Und wurde nicht enttäuscht. Lukas Loss zum Beispiel hat ein interaktives Düsseldorf entworfen. Er serviert auf einem Riesenmonitor Düsseldorf-Spezialitäten zum Anklicken — Karneval, Fortuna, Rheinbahn oder Kirmes.

Die dazu gehörigen Filmaufnahmen setzt der Nutzer selbst in Gang, indem er mit einer Art Schwamm über einen großen Bildschirm wischt und eine Zeitreise von der Gegenwart zurück bis in die 20er Jahre unternimmt. Über einen Kopfhörer sind — dem jeweiligen Jahrzehnt angepasst — Trainerinterviews oder Kirmesmusik zu hören.

Loss’ Kommilitone Mortimer Neuß entwickelte einen Stadtplan, der auf Knopfdruck Ansichten von Düsseldorfern über ihre Stadt wiedergibt. Der Student ist durch die Straßen gezogen, hat Menschen befragt und ihre Anmerkungen jeweils dem Ort zugeordnet, an welchem er sie getroffen hat. Natürlich wurde auch Aras Plattenladen zum Exponat veredelt. Roman Tönjes schickt ihn im Fotofilm in kräftigen Farben und mit Musik unterlegt über den Monitor.

Ein anderer Student, der neben seinem Studium ehrenamtlich mit Jugendlichen arbeitet, lässt in seinem Beitrag eine Hip-Hop-Band auftreten, die über Bilk rappt. Leider sind die Musiker inzwischen zerstritten. Außerdem gibt es ein Schwarz-Weiß-Porträt des strickenden Obdachlosen von der Kö und einen Hausbesuch bei einem jungen, fast blinden Mann, der, als Pipi Langstrumpf verkleidet, durch Düsseldorf spaziert.

Und dann ist da noch die Achterbahnfahrt für die Sinne. Im Zeitraffer von fünf Minuten stellen Lucas Loss und Roman Tönjes die Entstehung eines Musikstücks bis hin zu dessen Wiedergabe auf einer Party dar. Es huschen Düsseldorfs Skyline, das Dreischeibenhaus und eine ganze Armada von Fernsehtürmen über den Bildschirm. Dazu wird Clubmusik gespielt.

Alle Arbeiten wurden in einer Wanderausstellung, „Video Site Düsseldorf“ zusammengefasst. Sie war nur für wenige Tage im Filmmuseum zu sehen, jedoch ist das nächste Projekt schon in Planung: Die Filmwerkstatt hat Interesse signalisiert.

Konzipiert hat die Schau der Masterstudiengang für Ausstellungsdesign. Sämtliche Monitore wurden in Paletten eingebaut, Kabel geschickt verstaut, neonfarbene Hinweisschildchen angebracht. Eine spartanische Ausstattung, die leicht ab- und wieder aufgebaut werden kann, wenig Geld kostet und die gewollte Assoziation zur Baustellenstadt Düsseldorf herstellt. „Überall, wo gebuddelt wird, gibt es Menschen, die stehenbleiben und sich das anschauen“, sagt Anja Vormann. „Das wünschen wir uns auch für unsere Ausstellung.“