Interview Akademia: Eine Oper mit hundert jungen Leuten im Düsseldorfer Malkastenpark

Düsseldorf · Studenten und Ehemalige der Kunstakademie laden am 11. Juni zu einer besonderen Premiere ein.

Aylin Leclaire bittet am 11. Juni ab 18.30 Uhr zur Premiere von “akademia“ im Malkastenpark.

Foto: Helga Meister

Im Malkastenpark proben rund hundert Akteure die Oper „akademia“. Die Idee kommt von Aylin Leclaire, die sich seit zwei Jahren um Spieler, Komponisten, Texte und Bühnenbild kümmert.  Wir sprachen mit ihr.

Worum geht es Ihnen in Ihrer Oper, die ja im Titel auf die Kunstakademie verweist?

Leclaire: Um eine Gesellschaftskritik. Wir nehmen die Kunstakademie als Beispiel, denn hier treffen sich  Menschen aus verschiedenen Schichten.

Proben Sie den Umbruch wie seinerzeit Joseph Beuys?

Leclaire: Ich habe das Gefühl, dass gar nicht so viele Leute den Umbruch wollen. Es gibt keinen Vorschlag, wie der Umbruch sein soll.

Was ist das Problem?

Leclaire: Die kapitalistische Welt hält immer mehr Einzug. Wir fühlen uns im System eingeklemmt. Wie kann ich freie Kunst schaffen und gleichzeitig mit ihr Geld verdienen? Das Geld-Verdienen scheint der Weg zu sein, den man erfüllen muss. Aber er gibt keinen Bewegungsspielraum. Entweder lasse ich mich darauf ein, Kunst zu machen, die in einer Galerie ausgestellt und gekauft werden kann, oder ich werde keinen Erfolg haben. Dieser Spagat ist ein Aspekt, der in der Oper beschrieben wird.

Wer ist schuld am Dilemma?

Leclaire: Es werden zwar Parteien gewählt, aber der Lobbyismus dominiert. Und es kommt die Political Correctness hinzu.

Was meinen Sie damit?

Leclaire: Natürlich darf ich keine diskriminierenden Ausdrücke benutzen. Aber ich muss aufpassen, damit ich mit meiner Kunst niemandem auf die Füße trete. Tue ich das, könnte ich meine Karriere ruinieren. Also mache ich es nicht. Das Problem spitzt sich zu. Ich darf gewisse Dinge nicht machen, nicht sagen. Was mache ich dann noch in der Kunst?

Gilt das auch für die Professoren?

Leclaire: Die Oper kritisiert alles, auch die Studenten. Denn keiner  traut sich, die Grenzen zu überschreiten.

Welche Grenzen?

Leclaire: Beispielsweise boxt die Versicherungslobby ein neues Brandschutzgesetz durch, so dass ich kaum noch eine Skulptur aufstellen darf. Die Risikobereitschaft in der Kunst und mit Kunst nimmt ab.

Kritisieren Sie auch Professoren?

Leclaire: Wir fragen, wie wichtig es für Professoren mit einigem Erfolg ist, dafür zu kämpfen, dass weitere Leute mit freier Kunst Erfolg haben können? Vielleicht scheitert es auch dort an fehlender Risikobereitschaft.

Fürchten Sie die Zensur?

Leclaire: Wenn ich nicht das machen darf, was ich als Künstler will, dann ist es Zensur und Einschränkung der künstlerischen Freiheit, die im Grundgesetz verankert ist.

Konkret, wer singt denn überhaupt?

Leclaire: Wir haben eine andere Auffassung vom Gesang. Wir wollen eher einen Ausdruck schaffen als eine Technik.

Gibt es ein Libretto?

Leclaire: Veith Tönsing und Marlon Bösherz,  die sich mit Poesie beschäftigen, und ich haben es geschrieben.

Und die Musik?

Leclaire: Wir haben mit mir sechs  Komponisten. Wir haben auch ein Team für freie Installationen. Es gibt Spielstätten für Eröffnung und Finale, für Aktzeichnen, Kolloquium, Asta-Café und Senat.

Und die Handlung?

Leclaire: Durch die Geschichte geht eine fiktive Studentin Lara Wittenberg, die die Figuren und die Institution kennenlernt. Sie wird mit der Kluft zwischen eigenen Idealen und vorherrschendem System konfrontiert. Was als Ort von Anarchie und Freiheit gepriesen wird, entwickelt sich zum Schauplatz hochschulpolitischer Machtkämpfe und Hürden, die ihrer Kunst im Wege stehen.

Ihre eigene Erfahrung?

Leclaire: Alle ziehen an einem Strang, wie ich es von so vielen egozentrischen Künstlern noch nie gesehen habe.

Warum legen Sie Wert auf einen Raum für Aktzeichnen?

Leclaire: Er lässt mehr Formen der Grenzüberschreitung zu als andere Orte. Er verschafft jungen Leuten den Zugang zur Kunst. Das gilt auch für mich. Ich hatte keine Ahnung von Kunst, bin ohne künstlerischen Hintergrund aufgewachsen und habe nach dem Schulbesuch eines Museums für alte Meister in London angefangen zu zeichnen und zu malen. Ich fiel prompt durch die Aufnahmeprüfung. Der Raum für Aktzeichnen aber ist wie ein italienischer Marktplatz, wo man sich Geschichten erzählt und wo man lernt, Türen zu öffnen.