Düsseldorf Anonyme Spurensicherung: Stumme Zeugen der Gewalt

Auch ohne Anzeige können Frauen in der Ambulanz für Gewaltopfer Spuren sichern lassen.

Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Opfer von Gewalt leiden nicht nur körperlich. Auch die Psyche wird mit jedem Schlag verwundet. Und wenn der erste Schmerz überstanden ist, kommt das Gefühl von Unsicherheit und Angst. Was geschieht, wenn ich eine Strafanzeige erstatte? Wird meine Situation dadurch möglicherweise noch verschlimmert? Fragen, die sich Frauen in der extremen Situation stellen. Wer unsicher ist, muss sich nicht sofort für oder gegen den Weg zur Polizei entscheiden. Die Ambulanz für Gewaltopfer der Heinrich-Heine-Universität bietet Opfern an, Spuren anonym zu sichern. So können die Täter auch noch Jahre später überführt werden.

Seit fünf Jahren leitet Dr. Britta Gahr die Gewaltopfer-Ambulanz, die zur Gerichtsmedizin gehört. Rund 250 Frauen kommen jedes Jahr zu ihr. In den ersten zweieinhalb Monaten 2017 waren es allerdings schon 75, also mehr als doppelt so viele wie im Durchschnitt: „Wir bieten den Frauen an, Spuren zu sichern. Verletzungen werden dokumentiert, Asservate wie Abstriche, Blut oder Urinproben werden abgenommen. Ohne polizeiliche Anhörungen. Wir sprechen auch keine Empfehlung aus, eine Anzeige zu erstatten oder nicht. Wir informieren die PatientInnen und leiten sie in das psychosoziale Hilfs-Netzwerk weiter.“

Es gibt viele Gründe, warum Opfer damit hadern, eine Strafanzeige zu stellen. Oft kommt der Täter aus der Familie, es besteht noch eine Beziehung, die möglicherweise gerettet werden soll. „Es gibt auch Frauen, die Angst vor einem langen Gerichtsverfahren haben“, sagt Marion Heyers von der Kriminalpolizeilichen Beratungsstelle. Es dauert oft ein Jahr, bis ein Verdächtiger tatsächlich vor Gericht steht. Das schreckt viele Opfer ab. Und wenn sich Frauen dann doch zu einer Strafanzeige entscheiden, fehlen oft die Beweise.

Die können bei der anonymen Spurensicherung aufbewahrt werden. „Die Asservate lagern wir zehn Jahre lang“, sagt Britta Gahr. Sie schätzt, dass rund ein Drittel der abgegebenen Spuren später auch genutzt werden.

Dr Britta Gahr, Leiterin der Ambulanz für Gewaltopfer

Es gibt Frauen, die kommen nicht nur einmal zur Gewaltopfer-Ambulanz. Vor allem wenn es um häusliche Gewalt geht, lassen Opfer auch mehrfach Spuren sichern. Gahr: „Das ermöglicht dann später, ein Tatgeschehen auch zeitlich zu dokumentieren.“ Für die Ermittler seien das unglaublich wertvolle Hinweise. Kosten entstehen übrigens nicht. Die Finanzierung wird zusammen mit dem Kriminalpräventiven Rat ermöglicht. Der zahlt einen Pauschalbetrag. Was nicht gedeckt wird, übernimmt das Institut für Rechtsmedizin. Es sei sehr wichtig, dass die Frauen in ihrer Stadt eine Anlaufstelle haben. Gahr: „Wir haben festgestellt, dass die Opfer nicht weit fahren. Und sie kommen in der Regel auch nur einmal. Wir haben auch festgestellt, dass 90 Prozent der Frauen, die zu uns kommen, auch eine 40er Postleitzahl haben.“

Der Weg, der zur Ambulanz für Gewaltopfer führt, ist in der Regel gleich. „Meinst gehen misshandelte Frauen zuerst zum Arzt und werden dann zu uns geschickt“, berichtet Etta Hallenga von der Frauenberatungsstelle, „wir informieren dann, dass es die Möglichkeit zur anonymen Spurensicherung gibt.“ Wichtig ist, dass die Frauen schnell kommen, damit die Proben genommen werden können. Zum Beispiel, wenn es darum geht ob K.o.-Tropfen oder Drogen eine Rolle gespielt haben.

Düsseldorf verfügt inzwischen über ein vorbildliches Netzwerk für Gewaltopfer. Denn Frauenberatungsstelle, der Weiße Ring, der Kriminalpräventive Rat und die Ambulanz für Gewaltopfer treffen sich regelmäßig in einem Arbeitskreis. Auch die Zeugenbetreuung am Amts- und Landgericht entand vor 20 Jahren aus diesem Engagement. Damals war Düsseldorf Vorreiter, heute haben einige große Gerichte ein Zeugenzimmer.