Düsseldorf Auf Umwegen zum Hauptschulabschluss

Christopher Hörnchen hat mit 18 die Schule abgebrochen. Heute bereut er diese Entscheidung. Er will Kinderpfleger werden — und holt deshalb seinen Abschluss nach.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Als 13-Jähriger war sich Christopher Hörnchen sicher, dass die Schule nichts für ihn ist. Der Schulalltag wirkte auf ihn wie eine nicht enden wollende Beschäftigungstherapie. „Ich dachte damals, dass ich das alles nicht brauche und es auch ohne Schulabschluss da draußen schaffen werde“, sagt der heute 28-Jährige.

Mit 18 brach er die Schule ab — ohne einen Hauptschulabschluss. Heute, knapp zehn Jahre danach, bereut er seinen Entschluss. „Ich weiß jetzt, was ich mit meinem Leben anfangen möchte und dass ich dafür einen Abschluss brauche.“ Ausgerechnet die Arbeit in einer Grundschule hat dieses Umdenken bewirkt.

Hörnchen besuchte die Fritz-Henkel-Hauptschule in Garath. „Schon in der Siebten habe ich angefangen mit dem Schwänzen“, sagt er. Nach einer Ehrenrunde war in der neunten Jahrgangsstufe dann Schluss: „Jemand machte den Fehler und sagte mir, dass ich meine zehn Jahre Schule durch das Sitzenbleiben ja schon voll habe“, sagt er. Nach dieser Erkenntnis ging Hörnchen nicht mehr zur Schule. „Ich war der festen Überzeugung, dass ich auch so klar komme. Irgendetwas werde sich schon ergeben. Alles schien besser als Schule.“

Die Hoffnung auf die große Freiheit und die vielen Möglichkeiten aber wurde bitter enttäuscht. „Sechs Jahre lang habe ich eigentlich nichts gemacht“, sagt er. Die Arbeitsagentur konnte ihm nur Aushilfsjobs anbieten, eine Ausbildung oder gar eine langfristig angelegte und interessante Anstellung waren ohne Schulabschluss nicht im Angebot.

Vor zweieinhalb Jahren vermittelte die Arbeitsagentur erneut einen Ein-Euro-Job. Dieses Mal in einer Grundschule. „Da hatte ich anfangs gar keine Lust drauf“, sagt Hörnchen. Aber er wurde von der Arbeit mit Kindern im Offenen Ganztag (OGS) einer Düsseldorfer Grundschule positiv überrascht. „Ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, wirklich gebraucht zu werden“, sagt er. Mittags geht er mit den Schülern in der Mensa essen, danach betreut er sie bei den Hausaufgaben, übt, spielt oder bastelt mit ihnen. „Die Schüler kommen auf einen zugestürmt, freuen sich, einen zu sehen. Das ist ein wunderbares Gefühl.“

Hörnchen ging in seiner Arbeit auf. „Ich liebe es, die Kinder in der OGS zu betreuen. Ich fühle mich verantwortlich für sie“, sagt er. Auch der Caritasverband, der Träger der OGS, war begeistert von Hörnchen Engagement und bot ihm einen Teilzeitvertrag als pädagogische Hilfskraft an. „Ich wurde aber auch davon überzeugt, dass ich ohne Schulabschluss immer Hilfskraft bleiben werde“, sagt Hörnchen. Nur wenige Wochen später schrieb er sich bei der VHS ein, um den Hauptschulabschluss nachzuholen.

Seitdem hat sich im Alltag von Christopher Hörnchen viel verändert. „Die Tage sind sehr straff durchorganisiert und ziemlich lang“, sagt er. Morgens macht er seine sechsjährige Tochter fertig für die Schule, mittags beginnt er seine Arbeit in der OGS, am späten Nachmittag bis 22 Uhr drückt er selbst die Schulbank. Auf die Idee zu schwänzen käme er heute nicht mehr. „Der große Unterschied zu damals ist: Ich weiß heute, wofür ich das alles mache“, sagt er.

Im Januar steht die Abschlussprüfung an. Klappt alles, wird er sich dann um eine Ausbildung zum Kinderpfleger bewerben. „Ich möchte mit beeinträchtigten und behinderten Kindern arbeiten.“