Kultur Autorin Florence Hervé: Neues Buch über Wasserfrauen
Die französische Autorin Florence Hervé lebt seit Ende der 70er Jahre in Düsseldorf. Jetzt hat sie ein neues Buch über Wasserfrauen geschrieben.
Düsseldorf. Auf dem Tisch in der lichtdurchfluteten Altbauwohnung am Hermannplatz in Flingern stehen zwei gefüllte Wassergläser. Wie oft greifen wir während eines Gesprächs nach einem Glas Wasser ohne uns groß etwas dabei zu denken? Wasser ist Menschenrecht. Aber immer noch haben große Teile der Menschheit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, aktuell gerade wieder in Afrika. In anderen Erdteilen gibt es zu viel Wasser auf einmal, Menschen verlieren durch Überschwemmungen ihr Heim, Hab und Gut. Auch deshalb gibt es seit 1933 einen Weltwassertag — am 22. März.
Egal ob Realität oder Mythologie: Die Hüterinnen des Wassers sind die Frauen. Die abwechselnd in Düsseldorf und der Bretagne lebende deutsch-französische Journalistin und Buchautorin Florence Hervé hat sie aufgespürt in einem Dutzend europäischer Länder und beschrieben, von der Deichgräfin in Krefeld-Uerdingen über die Völkerrechtlerin für Wasserrecht, die Langzeitschwimmerin, eine Spa-Managerin bis zur Eisbildhauerin. Und daraus hat sie gemeinsam mit dem Fotografen Thomas. A. Schmidt ein Buch gemacht, das jetzt zur Leipziger Buchmesse erscheint: Wasserfrauen.
Auf dem Titelbild hat eine Frau das Ruder in der Hand: Giorgia Boscolo, Gondoliera auf dem Canal Grande in Venedig, die einzige staatlich geprüfte in diesem männerdominierten Traditionsberuf. Die Begründung ihrer Berufswahl: „Ich wollte Gondoliera werden. Ich bin zum Rudern geboren.“ Wasser ist ihr Element, wie auch das der übrigen 22 Frauen die Florence Hervé interviewt hat. Übrigens das einzige Element, dass es in fester, flüssiger und als Gas (Wasserdampf) gibt.
Und in jeder Form auch als Kunst, zum Beispiel bei den Werken der Eisbildhauerin Anna Sofia Maag: „Eis ist nur Wasser in einem anderen Zustand. Ein paar Grad, und alles ändert sich.“ Eine Erfahrung, die auch Cecilia Lundin nutzt. Die Iglu-Architektin baut praktisch Häuser aus Wasser. Und nicht nur das: „Alles was ich tue, hat mit Wasser zu tun: Ob Schneeballunterkunft, Iglu, Kanu oder Rafting.
Florence Hervé aktuelles Werk ist die logische Fortsetzung einer Reihe über Frauen mit besonderen Beziehungen zur Umwelt: „Ich bin immer wieder beeindruckt von deren Achtung der Natur und wie sie damit umgehen.“ Hervé hat Frauen in der Wüste einen Band gewidmet, Schriftstellerinnen dort einen weiteren: „Durch den Sand“. Ein anderes Buch stellt Autorinnen im Gebirge vor: „Sehnsucht nach den Bergen“.
Und jetzt die Wasserfrauen. Warum eigentlich keine Wassermänner? Hervé: „Weil es in sämtlichen Kulturen die Frauen sind, die das lebenserhaltende Wasser hüten. Denken sie an die Bilder, wo Menschen in der Dritten Welt das Wasser in Eimern auf dem Kopf transportieren. Das sind Frauen, keine Männer.“ Männer würden wohl eher Kriege wegen Wassers führen.
Das Wasserfrauenbuch ist in verschiedene Themen unterteilt. Wasser als Arbeitsplatz, über den die Deichgräfin sagt: „Ich habe ein Agreement mit dem Wasser. Ich behandle es mit Respekt. Am Ende wird das Wasser doch mit mir machen, was es will.“ Wasser als Inspiration, auch für Elisabeth Sobotka, Opernintendantin, deren Bühne in Bregenz weit über den See hinausragt: „Die Weite bringt die Gedanken zum Fliegen, meditativ und zugleich anregend, weil der See so lebendig ist.“ Und Wasser als Herausforderung, etwa für die Kajaksportlerin Franziska Biechler: „Wasser ist eine Energiequelle. Man muss mit dem Wasser arbeiten, nicht dagegen.“
Es gibt noch einen weiteren Grund für die Neuerscheinung. Nach dem Verfassen eines Buches über Natzweiler-Struthof, ein relativ unbekanntes deutsches Konzentrationslager in Frankreich, brauchte die engagierte Zeithistorikerin, die vor drei Jahren das Bundesverdienstkreuz ablehnte, mit dem Argument der unzureichenden Aufarbeitung der Nazivergangenheit in Deutschland, für ihren eigenen Energiefluss eine Herausforderung der anderen Art.
Florence Hervé, Autorin
In der Zeit des Recherchierens und Schreibens hat Hervé dann sämtliche Artikel über Wasser in den Medien aufgesaugt. Was als nächstes kommt? Die Autorin lächelt: „Ich weiß es noch nicht. Es ist meist so, dass sich irgendwann ein neues Projekt von selbst aufdrängt. Ich muss es zuerst machen, erst dann darüber reden. Aber es wird bestimmt wieder mit der Natur zu tun haben.“
„Ich könnte nicht in einer Stadt leben, die nicht am Wasser liegt, an einem Fluss, einem See. Ich liebe das Wasser als Element, das flüchtige“, erklärt die weit Gereiste, die von klein auf auch eine leidenschaftliche Schwimmerin ist. Schön, dass der Rhein nicht weit ist. Wo sie sich in Düsseldorf noch Wasser wünschen würde? Florence Hervé blickt aus dem Fenster durch eine knospende Baumkrone: „Ein Brunnen auf dem Hermannplatz, das wäre schön, auch für die Kinder im Sommer“. Sie füllt die Wassergläser noch einmal voll.