Bloß ein Satz als Ziel: „Will ich haben“
Er entwirft Keksdosen und Wischmobs, Stühle und Bettfedern. Seine Methode nennt er „das Schöne und das Biest“. Ein Besuch bei Industriedesigner Reiner Wallbaum.
Er erinnert sich noch ganz genau an das Matchbox-Auto. Die Form ist schnittig, die Farben sind kräftig. Ein leuchtendes Orange mit einem strahlenden Blau. Wärme trifft auf Kälte. Funktion vermischt sich mit Verspieltheit. Orange und Blau — bis heute sind das seine Farben.
Reiner Wallbaum (53) macht eine drehende Bewegung mit seinen Händen. Es scheint, als schiebe er gerade das Auto vor sich her, so wie als kleiner Junge. Für einen kurzen Moment schließt er in seinem Büro an der Brunnenstraße die Augen, scheint ganz weit weg. Wurde damals der Grundstein für seinen heutigen Beruf des Industriedesigners gelegt? Oder waren es jene Momente in der Garage, in der der gelernte Werkzeugmacher mit seinen Freunden die ersten Hifi-Racks und Solar-Standuhren erfolgreich entwickelte? Wallbaum kann es nicht wirklich sagen.
Er hat einfach immer schon gerne mit den Händen gearbeitet, das kann er sagen. Nicht zu übersehen, wenn man ihm beim Sprechen zuschaut. Mit den Fingern formt er seine Worte, verleiht ihnen dadurch noch mehr Farbe.
Seit 30 Jahren ist er mittlerweile Designer, hat für große Firmen wie Pelikan, Emsa und Kaldewei gearbeitet. Er entwirft Keksdosen, Stühle, Bettfedern oder Teekannen. Seine Arbeitsmethode klingt nach Walt Disney. Sie heißt „das Schöne und das Biest“, ist in der Realität jedoch nicht ganz so märchenhaft. Denn erlaubt ist der ästhetische Entwurf (das Schöne) nur, wenn sich das Ergebnis auch wirklich in Form bringen lässt. Das entscheiden unter anderem die Stückzahlen, die Zielkosten und die Montage (das Biest).
Der Designprozess ist für ihn immer eine Gemeinschaftsarbeit, der Schaffensprozess fast noch schöner als das fertige Produkt. Für Veleda kreierte er mit seinem dreiköpfigen Team das Nachfolgemodell des Wischmops. „Vom Pressen zum Wringen“ lautet der Arbeitstitel der Veleda-Produkterfindung, dazu knetet er anschaulich einen imaginären Lappen. Die Vorgabe: Der Mop sollte wirklich ausgewrungen und nicht mehr gepresst werden. Außerdem sollte das Wringen optisch sichtbar sein. Es ist ihnen geglückt. Reiner Wallbaum, der nach seiner Ausbildung Industriedesign an der Folkwang-Schule in Essen studierte, redet über Torsionsbewegungen, Verdichtungen und Kulissenführung. Man vergisst ganz dabei, dass er gerade „nur“ über einen Wischmob redet.
„Ein Designer ist ein Verführer“, sagt Wallbaum. Auch wenn er das Wort nicht gerne in Zusammenhang mit seinem Beruf verwendet, so scheint es ihm dennoch stimmig. „Er verführt mit Form und Farbe. Der Kunde denkt: Geil, will ich haben!“
Als Künstler sieht er sich jedoch nicht. Wallbaum skizziert eine Leinwand, dann malt er mit einem unsichtbaren Pinsel eine Landschaft in die Luft und hält inne. Der Künstler denke beim Malen stets „ich, ich, ich.“ Er selbst stelle seine Persönlichkeit zurück, es existiere nur die Idee, die werdende Marke, das Produkt.