Freizeit Boeing fliegen in der Innenstadt
Düsseldorf · An der Jahnstraße steht ein Simulator, mit dem ganz normale Düsseldorfer wie Profi-Piloten agieren können. Sie steuern die große Maschine nach New York oder Hongkong. Ein Testbesuch.
Die rechte Hand am Steuerknüppel, die linke gibt Schub: langsam nimmt die Maschine Fahrt auf und hebt schließlich von der Startbahn des Flughafen Düsseldorf ab. Die Sicht ist gut, der Puls wird langsamer. Die „Pilotin“ hat den ersten wichtigen Schritt geschafft. Die Boeing 737 ist in der Luft. „Runter kommt man ja irgendwie immer“, beruhigt Nadine Pinternagel augenzwinkernd. Sie hat neben der Reporterin Platz genommen, nachdem sie ihr zuvor das umfangreiche Armaturenbrett geduldig erklärt und eingeschärft hat: „Die Fußpedale sind nicht zum Bremsen und Gasgeben da, wie beim Auto. Sie steuern die Seiten- und das Höhenruder am Heck des Flugzeugs“. Also ist Finger- oder besser Fußspitzengefühl gefragt, ebenso wie im Umgang mit dem Steuerknüppel. „Autofahrer neigen dazu, das Steuer zu schnell und vor allem zu stark drehen zu wollen“, sagt Nadine Pinternagel. Die erfahrene Verkehrspilotin sitzt mit der Reporterin in einem Flugsimulator an der Jahnstraße. Dort hat „Your Cockpit“ Anfang 2019 den Standort von „I-Pilot“ übernommen, nachdem sich das Unternehmen vom deutschen Markt zurückgezogen hat.
„Es war gar nicht so leicht, das Schätzchen hier rein zu wuchten“
Der neue Betreiber setzt auf Authentizität. Neben dem Cockpit einer alten Mustang P51, die mit einer Virtual Reality-Brille „geflogen“ werden kann, haben Pinternagel und ihr Mitstreiter Dirk Effelsberg das Original-Cockpit einer Boeing 737 zum Simulator umgebaut. Die Geräuschkulisse aus einem echten Flieger wird eingespielt und auf einer halbrunden Leinwand projizieren zwei Beamer die Bilder von Flugzielen weltweit. Dubai, New York (JFK), Los Angeles (LAX) und Hongkong gehören zu den beliebtesten Airports, die von ihren Kunden angesteuert würden, verrät Pinternagel, die selbst 14 Jahre lang als Verkehrspilotin Boeing geflogen ist. Dirk Effelsberg und sie waren Kollegen. „Zwischenzeitlich hatten wir uns mal aus den Augen verloren“, erinnert sie sich. Aber als Effelsberg ihr vorschlug, gemeinsam ein Unternehmen zu gründen, um Flugerlebnisse für jedermann in Simulatoren möglich zu machen, war Pinternagel gleich mit an Bord. Inzwischen haben die beiden acht Standorte, darunter in Köln, Hamburg und München. Dort bieten sie auch Simulator-Flüge im Airbus-, Hubschrauber- und Kampfjet-Cockpit an.
„Es war gar nicht so leicht, das alte Schätzchen hier rein zu Wuchten“, meint Nadine Pinternagel und spielt dabei nicht nur auf das Cockpit an, sondern auch auf die 200 Kilogramm schwere Metallplatte, die darunter liegt.
Auffällig ist, wie schmal das Cockpit geschnitten ist. Auf beiden Seiten sind identische Instrumente angebracht, denn Pilot und Co-Pilot sind gleichberechtigt und müssen jederzeit in der Lage sein, die Maschine übernehmen und alleine fliegen zu können.
Ein dritter Sitz ist im realen Leben dem Flugingenieur oder bei Trainingsflügen auch mal dem Prüfer vorbehalten.
Die Mittelkonsole mit dem Hebel für Schub und Bremse oder auch dem Feuerlöscher für die Trieb- und Leitwerke, wird je nach Sitzposition der Piloten entweder von rechts oder links bedient. Die Instrumente des Armaturenbretts liegen höher als bei einem Auto, so ist auch die Sicht aus der Windschutzscheibe tatsächlich etwas eingeschränkter als in einem Auto.
Wer steigt denn so in einen Flugsimulator? „Das ist ganz unterschiedlich. Wir haben tatsächlich rund 80 Prozent Frauen, die einen Simulator-Flug in einer 737 buchen, allerdings vor allem, um ihn an Männer zu verschenken“, erklärt Nadine Pinternagel. Frauen würden dafür lieber mal einen Flug im Hubschrauber oder Kampfjet ausprobieren.
Für Kinder gibt es spezielle Angebote, jeden Sonntagnachmittag und in den Schulferien. „Wir geben ihnen zunächst eine kleine Einführung. Erzählen, wie ein Flugzeug überhaupt in der Luft bleiben kann etc“, so die Pilotin. Danach dürfen auch die Kleinen mal an den Steuerknüppel. „Die machen das erstaunlich gut. Sind hochkonzentriert und haben richtig Spaß dabei, vor allem die Mädchen“, bilanziert sie zufrieden. Nadine Pinternagel nutzt den Flugsimulator aber auch für Teilnehmer ihrer Flugangst-Seminare. „Wenn man einmal selbst im Cockpit sitzen und sich in Ruhe alles ansehen kann, versteht man die Abläufe und Geräusche besser“, sagt die Flugexpertin.
Eine gute Stunde dauert ein Simulator-Flug inklusive Einweisung in die Instrumentenbedienung. Übrigens kann man nicht nur Start- und Zielflughafen wählen, sondern auch die Tageszeit und Wetterlage. „Wir können Regen, Gewitter und Turbulenzen simulieren, allerdings nur audio-visuell, da wir keine Hydraulik im Cockpit haben, um die Bewegungen nachempfinden zu können“, berichtet die Geschäftsführerin.
Das sei nur im sogenannten Full-Flight-Simulator, der auch über eine Hydraulik verfügt, die alle Eventualitäten des Flugalltags durchspielen kann, möglich. „Wir haben hier einen Fix-Space Simulator, der für erfahrene Piloten eher nicht für ihre Trainings genutzt wird.“ Aber für diejenigen, die einmal wissen wollen, wie es sich anfühlt, wenn man mal selbst das Steuer eines Jets in der Hand hat, ist ein Besuch allemal interessant. Die Reporterin hat nicht nur viele neue Eindrücke aus dem Flug im Simulator mitgenommen, sondern auch ein Gefühl dafür, was Piloten leisten.