Brennpunkt Bahnhof: Erste Schicht für junge Polizisten
17 neue Kräfte verstärken die Inspektion der Bundespolizei am Hauptbahnhof.
Düsseldorf. Eine ganze Weile folgen Kevin Hessling und Janina Schiffer dem jungen Mann in der verwaschenen, schmutzigen Jeans durch den Hauptbahnhof. Bis er auf ein Gleis hastet und in einer S-Bahn verschwindet. Die beiden Bundespolizisten bleiben dran, öffnen die Tür und überprüfen den Mann. Richtiger Riecher: Er ist ein bekannter Drogenkonsument. Zurzeit läuft aber keine Fahndung nach ihm. Er bekommt seinen Ausweis zurück und darf weiterreisen.
Die beiden frischgebackenen Polizeimeister gingen am Dienstag auf ihre erste Streife im Düsseldorfer Hauptbahnhof. 250 000 Reisende jeden Tag, Drogenszene, am Wochenende Partyvolk, Fußball-Fans . . . Für die 21-jährige Janina Schiffer aus Kreuzau in der Nähe von Düren eine gewaltige Umstellung. „Wir haben nur einen kleinen Haltepunkt. Da fährt ein einziger Zug. Das hier sind ganz andere Dimensionen.“
17 Berufsanfänger hat die Inspektion am Hauptbahnhof in dieser Woche bekommen. Sie stocken das Team auf 260 Beamte auf. Dringend notwendige Verstärkung, denn der Hauptbahnhof in Düsseldorf ist seit Jahren bei den Fallzahlen unter den Top 3 der Bundespolizei-Inspektionen in ganz Deutschland — 2010 belegte er sogar den Spitzenplatz.
Dass ein Großstadtbahnhof in Sachen Kriminalität mehr zu bieten hat als Ladendiebe und Schwarzfahrer, erlebten die Düsseldorfer Kollegen von Kevin Hessling und Janina Schiffer im Mai, als ein verwirrter Waffennarr eine Geisel nahm und um sich schoss. „Noch ein halbes Jahr später gab es in der Inspektion Gespräche mit Polizeipsychologen für die beteiligten Beamten“, sagt Sprecher Armin Roggon. „Eine junge Kollegin, auf die der Mann geschossen hatte, war vier Wochen nicht im Dienst. Heute geht es ihr wieder gut.“
Auch er selbst hat schon erlebt, wie schnell Routine in Horror umschlagen kann. Vor Jahren spielten zwei Jungs in Garath „S-Bahn-Springen“. Eine Mutprobe: Die Kinder stellten sich auf die Gleise, wer dem nahenden Zug zuerst auswich, verlor. „Ihre siebenjährige Schwester hat es nicht mehr geschafft“, erinnert sich Roggon. „Sie starb im Rettungswagen. So etwas steckt man sein Leben lang nicht weg.“
Eine Gefahr, die für Janina Schiffer und den 22-jährigen Kevin Hessling noch sehr abstrakt ist. „Ein bisschen Angst ist schon dabei. Aber das ist ja nicht verkehrt, weil es aufmerksam macht“, sagt der junge Polizeimeister. Damit sie mit dieser Angst umgehen lernen, geht jeder der Berufsanfänger auf Streife mit einem erfahrenen Beamten als „Bärenführer“, wie es bei der Bundespolizei heißt: Der alte Bär zeigt dem jungen Bären das Überleben in der Wildnis. „Irgendwann werden sie alle hier mal angegangen und bedroht werden“, weißt Dienstgruppenleiter Michael Terbrüggen. Und doch hat die Inspektion am Bahnhof keine Nachwuchssorgen — auch Kevin Hessling und Janina Schiffer haben sich für den Einsatz dort beworben. „Es ist die Abwechslung, die mich reizt“, sagt die 21-Jährige. Und die hat sie im neuen Job garantiert.