Apell an Abstandsregeln Ausgerechnet ein Video mit Rapper Farid Bang soll helfen

Düsseldorf · Oberbürgermeister Thomas Geisel will die aggressive Partyszene in der Altstadt erreichen. Doch es gibt heftige Kritik.

 Farid Bang in dem umstrittenen Video.

Farid Bang in dem umstrittenen Video.

Foto: Stadt Düsseldorf

Auf der Facebook-Seite der Stadt ist am Mittwochvormittag ein Video mit dem Düsseldorfer Rapper Farid Bang erschienen. Noch bevor es zu sehen war, begann eine heftige Diskussion. Warum muss ausgerechnet der umstrittene Musiker, bekannt für frauenfeindliche und antisemitische Texte und Äußerungen, jetzt als Aufklärer der Jugend auftreten? Denn genau das ist seine Aufgabe. Er soll mit der Videobotschaft die jungen Leute erreichen, die, meist mit Migrationshintergrund, freitags und samstags in der Altstadt die Abstandsregeln nicht einhalten. Und die nach Mitternacht alkoholisiert Polizisten mit Flaschen bewerfen oder Ordnungsdienstmitarbeiter bespucken.

Natürlich müsse man denen, die die Regeln nicht einhalten, mit allen Mitteln des Rechtsstaates begegnen, sagte Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Doch er sagte auch: „Ich will Zugang zu den Verursachern finden.“

Bereits in den vergangenen Wochen erschienen auf der Internetseite der Stadt Videobotschaften prominenter Düsseldorfer. Mit dem Appell, die Corona-Abstandsregeln einzuhalten. Tischtennisspieler Timo Boll, Brauereichefin Thea Ungermann und Schauspieler René Heinersdorff hatten sich ohne Gage in den Dienst der Stadt gestellt. Andere Künstler oder Influencer seien für die Kampagne angesprochen worden, doch es gab Absagen oder die Angefragten wollten Geld.

 Thomas Geisel bei der Pressekonferenz zu dem Video.

Thomas Geisel bei der Pressekonferenz zu dem Video.

Foto: dpa/Roberto Pfeil

Nun also fiel Geisels Wahl auf Farid Bang, obwohl er selbst auch Texte des Rappers „widerwärtig“ empfindet. Doch der in Düsseldorf lebende Musiker sei ein Mensch, „der Gehör bei den jungen Menschen“ finde. Der Oberbürgermeister erklärte, er habe sich mit Farid Bang länger unterhalten. Er habe ihm gegenüber seine antisemitischen Äußerungen bereut. Geisel: „Ich bin Christ und würde einem reuigen Sünder den Weg zur Umkehr zugestehen.“

Das Video wurde am Samstag im Beisein von Geisel am Rheinufer gedreht. Farid Bangs Botschaft: „Haltet euch hier an die Abstandsregeln, die wir in der Altstadt haben, die wir generell in Düsseldorf haben. Benehmt euch. Hört auf, hier Unfug zu machen, sonst ziehe ich euch die Ohren lang.“

Dass ausgerechnet Rapper Farid Bang einen Beitrag zur Lösung des Problems mit der aggressiven Partyszene leisten kann, die auch aus dem Umland anreist, bezweifeln viele. Nicht glücklich mit der Auswahl Geisels ist die Gleichstellungsbeauftrage der Stadt, Elisabeth Wilfart. Das habe sie ihm auch mitgeteilt. Deutlicher werden Geisels Konkurrenten um den Oberbürgermeisterposten bei der Wahl im September.

Die Reaktionen von Geisels Konkurrenten fallen heftig aus

CDU-Kandidat Stephan Keller: „Es ist mir völlig unverständlich, wie man sich mit jemandem verbünden kann, der bundesweit bekannt ist für antisemitische Provokationen und gewaltverherrlichende und frauenverachtende Texte und Einstellungen.“ Keller im Gespräch mit dieser Zeitung: „Wir haben in der Karlstadt und Altstadt nicht nur ein Problem mit Abstandsregeln, sondern ein handfestes Sicherheitsproblem. Da ist Farid Bang der völlig falsche Partner. Da wird der Bock zum Gärtner gemacht.“ Keller widerspricht Geisel auch in Sachen Läuterung des Rappers. Mit Blick auf dessen letztes Album lägen ihm, Keller, ganz andere Informationen vor.

Grünen-Kandidat Stefan Engstfeld forderte Geisel auf, die Veröffentlichung des Videos sofort zu stoppen. Farid Bang habe sich mehr als einmal und nicht nur in der Vergangenheit in seinen Songtexten antisemitisch, frauenfeindlich und gewaltverherrlichend gezeigt. Engstfeld: „Farid Bang darf kein Botschafter für die Stadt Düsseldorf sein oder in ihrem Auftrag zu Jugendlichen sprechen.“

FDP-Kandidatin Marie-Agnes Strack Zimmermann kritisierte in einem offenen Brief: „Nun wollen Sie, Herr Geisel, diesen Rapper allen Ernstes einsetzen, um Jugendliche mit Migrationshintergrund zu bewegen, die Corona-Schutzmaßnahmen einzuhalten. Respektlosigkeit soll Respekt hervorrufen. Welch absurde Vorstellung. Ihr Verhalten empört mich. Sie werten diesen Rapper auf und verschaffen ihm Aufmerksamkeit. Sie beschädigen das Ansehen unserer Stadt über Deutschland Grenzen hinaus.“

Auch Geisels eigene Partei, die SPD,  distanzierte sich. Parteichef Andreas Rimkus und Fraktionschef Markus Raub  sagten, sie hätten Geisel deutlich gemacht, „dass wir dies nicht gemacht hätten“.

Pikant auch die Reaktion der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, für die die Sache vor dem Hintergrund der Antisemitismusvorwürfe gegen den Rapper brisant ist.  Der Behauptung eines Stadtsprechers, man habe vor dem Videodreh die Meinung der Jüdischen Gemeinde eingeholt, widersprach Michael Rubinstein, Gemeindedirektor der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf: Niemand bei der Jüdischen Gemeinde sei vor dem Videodreh gefragt worden. Es habe lediglich eine Kontaktaufnahme mit einem ehemaligen Funktionär einer anderen jüdischen Organisation gegeben. Rubinstein versteht zwar, „dass man Zielgruppen da abholen muss, wo sie sind.“ Wenn allerdings jemand als Vorbild dienen soll, der sich selbst in der Vergangenheit nicht an Regeln gehalten habe, so könne man trefflich darüber diskutieren, ob Farid Bang der richtige Mann für einen solchen Videodreh mit dem Oberbürgermeister sei.