Das Himbeer-Erdbeben vom Carlsplatz
Händler verkauft Obst aus Supermarkt. Neuer Geschäftsführer lädt zur Vollversammlung.
Düsseldorf. Es gibt Dinge, die können ein Erdbeben auslösen. Auf dem Carlsplatz genügen dazu ein paar Körbchen Himbeeren. Die soll ein Markthändler mal eben aus dem benachbarten Rewe-Markt geholt haben — beobachtet von einem Journalisten der Süddeutschen Zeitung. Den Gang soll sich der Obst-Experte dadurch versüßt haben, dass aus den Himbeeren für zwei Euro plötzlich Früchte für vier Euro wurden. Bester Stoff für eine Glosse — für den Carlsplatz eine PR-Katastrophe.
Gerüchte, dass kurzfristige Lücken im Warenangebot notfalls mit Hilfe von preisgünstigen Angeboten aus dem Supermarkt aufgefüllt werden, gab es schon eine Weile. Aber dass sich ein Händler dabei erwischen lässt, ist neu.
Für Andre Zalbertus, den neuen Geschäftsführer des Carlsplatz, ist das kein Einstand nach Maß: „Wer so etwas macht, der schießt ein Eigentor für den ganzen Markt.“ Zwar könne man rein rechtlich nichts dagegen machen, wenn Händler Waren aus dem Supermarkt weiter verkaufen: „Es sollte allerdings so etwas wie einen Ehren—Kodex geben.“
Wenn es interne Streitigkeiten vor Gericht gebe, sei das eine Sache: „Davon sind die Kunden aber nicht betroffen.“ Die „Himbeer-Affäre“ allerdings habe eine fatale Außenwirkung, weiß Zalbertus als erfahrener PR-Mann. Darunter leide der Markt insgesamt.
Wie man das Vertrauen wiederherstellt, soll am nächsten Dienstag diskutiert werden. Da will Zalbertus zu einer Vollversammlung ins Max-Haus einladen, zu der alle Markt-Beschicker, nicht nur die Vereinsmitglieder, eingeladen sind.
Bei vielen Händlern rund um den Carlsplatz hat der Ärger um die teuren Himbeeren für Unmut gesorgt. „Das ist natürlich eine große Sauerei und schädlich für den Ruf des Carlsplatzes“, sagt zum Beispiel Günther Weber, der seit 60 Jahren auf dem Markt aktiv ist und zusammen mit seiner Frau einen Obst- und Gemüsestand betreibt.
„Die Kunden, die bei uns kaufen, wissen um die Qualität unseres Angebots. Waren aus dem Supermarkt liegen bei uns nicht in der Auslage. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass so etwas wie mit den Himbeeren hier viele Händler machen. Das ist wohl eher ein Einzelfall gewesen — hoffe ich.“
Auch die Kunden beschäftigt das Himbeer-Erdbeben. Für sie ist es selbstverständlich, dass die Ware, die zum Marktpreis angeboten wird, die entsprechende Qualität haben sollte. „Ich finde diese Geschichte etwas peinlich für die Händler“, sagt eine junge Mutter. „Dann kann ich ja gleich im Supermarkt einkaufen. Nicht dass die Ware dort schlecht ist, aber auf dem Markt sollten Kunden einen gewissen Standard erwarten dürfen.“
Das sieht auch Stephan Müller so: „So etwas hätte ich hier auf dem Carlsplatz nie und nimmer erwartet. Ich bin überrascht. Wenn ich weiß, dass die Lebensmittel hier frisch vom Großmarkt oder den Bauernhöfen kommen, zahle ich gerne mehr. Aber diese Geschichte wirft ein schlechtes Licht auf die Händler — auch wenn ich glaube, dass das bestimmt nicht alle machen.“