Deichkind feiern wilden Kindergeburtstag
Die Hamburger bieten ein Live-Spektakel mit Proll-Charme und brachialen Beats.
Düsseldorf. Statt einer Vorband prasseln in der ausverkauften Electric Halle am Freitagabend brachiale Bässe auf die 7500 Besucher ein, passend dazu rauscht auf der Videowand ein greller Bildsalat ausufernder Party-Exzesse vorbei.
Im Publikum sieht man viele neonfarbene Plastikringe als Armschmuck, Mülltüten als Uniform, Dresscode ist heute herrlich-schräge Hässlichkeit, was nichts Neues ist für ein Konzert von Deichkind, einer der spektakulärsten Live-Acts Deutschlands.
„Pause is’ nich“ brüllt Ferris MC nach Song drei dem Feiervolk unmissverständlich entgegen und macht danach Ernst: Über eine Stunde lang gibt es ruppige Beats und grelle Synthies nonstop, erst zum Ende hin kommen ruhige Nummern wie „Luftbahn“ oder das HipHop-lastige „Bon Voyage“ dazu, kurz nach der Jahrtausendwende der erste Hit für die Band.
15 Jahre und viele Besetzungswechsel später schießt ihr sechstes Album „Niveau Weshalb Warum“ Anfang 2015 auf Anhieb an die Chart-Spitze, und auch live reihen sich die neuen Songs wie „So ’ne Musik“ oder „Denken Sie groß“ problemlos ein in die immer länger werdender Liste von Mitgröhl-Songs, die nicht nur zu Hits, sondern geflügelten Alltagsphrasen wurden: „Bück dich hoch“, „Arbeit nervt“, „Leider geil“. Letztgenannter Song kollidiert live mit dem 90er-Discostampfer „Show me love“, auch Michael Jacksons „Earth Song“ und Katy Perrys „Dark Horse“ müssen dran glauben.
Unzählige Kostümwechsel und alberne Requisiten ziehen sich durch den zweistündigen Kindergeburtstag für Erwachsene, inklusive Polonaise durchs Publikum, Schlauchbootfahrt über selbiges hinweg, Sonnenbank mit flackerndem Discolicht und XXL-Hüpfburg zum „Remmidemmi“-Finale. Jeder Song wird spektakulär inszeniert, mal prollig mit Bierdusche, mal kunstvoll mit rotierenden Quadern.
Doch vor lauter Krach und Kokolores geht das, was die Hamburger neben der schrillen Show-Inszenierung mindestens genauso auszeichnet, fast ein bisschen unter: Die raffinierten Texte nämlich, gespickt mit Wortwitz und feinen Alltagsbeobachtungen. Die nervöse Kommentarflut in sozialen Netzwerken zum Beispiel hat bisher niemand so gut auf den Punkt gebracht wie die Nordlichter in ihrer neuen Single. Passender Titel: „Like mich am Arsch“.