Düsseldorf Der harte Kampf gegen die Kinderporno-Flut

Spezialisten beim Landeskriminalamt werten jeden Tag Kinder-Pornos aus. Der Job gehört zu den härtesten, die es bei der Polizei gibt.

Helmut Nitsche und seine Kollegen werten die CDs aus, die in Massen beim Landeskriminalamt eintreffen.

Foto: dpa/Judith Michaelis

Düsseldorf. Wer in dem abgelegenen Trakt des Landeskriminalamtes arbeitet, hat einen der härtesten Jobs, die man als Polizist machen kann. „Wir blicken in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele. Jeden Tag“, sagt Helmut Nitsche, Leiter der Zentralen Auswertungs- und Sammelstelle für Kinderpornografie. Bei ihm und seinen Mitarbeitern landen die Filme und Dateien, die im Rahmen von Ermittlungsverfahren bei Pädophilen sichergestellt werden.

In Massen treffen die CDs teilweise beim Landeskriminalamt ein.

Foto: dpa/Judith Michaelis

Wie die fast 478 000 Pornos, die ein 26-jähriger Auszubildender auf seiner Festplatte hatte. Genau 9,5 Beamte haben die Aufgabe, solche „Sammlungen“ auszuwerten, mögliche Täter zu ermitteln und den Opfern zu helfen. Denn hinter jedem Film und jedem Foto verbirgt sich ein Opfer. „Wer hier arbeitet, der tut das, weil Kinder die hilflosesten Geschöpfe unserer Gesellschaft sind. Dazu gehört ein hohes Maß an Motivation. Und man weiß nie, wie lange man das tun kann“, sagt Nitsche. Geeignete Kollegen zu finden, ist nicht einfach: „98 Prozent der Polizisten lehnen eine solche Stelle ab. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern weltweit.“

Der Konsum von Kinderpornografie verändert Menschen. Nitsche: „Wenn man in der Zeit gerade selbst Kinder bekommt, geht einem das ganz nah. Man denkt viel mehr über sich nach.“ Regelmäßige Supervisionen sollen verhindern, dass die psychische Belastung zu groß wird. Vorgeschrieben ist das nicht, wird den Beamten aber immer wieder angeboten.

Was die LKA-Experten zu sehen bekommen, ist unglaublich: „Wir haben festgestellt, dass die Darstellungen in den vergangenen Jahren immer brutaler werden. Auch gegen Säuglinge und Kleinkinder wird Gewalt angewendet.“ Das geht bis zur Tötung der Opfer. In Bonn wurde eine Sechjährige vor dem sexuellen Missbrauch mit K.o.-Tropfen betäubt und starb daran. Der Täter wurde inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilt. Woher kommt die zunehmende Gewalt? „Ich weiß es nicht“, zuckt Helmut Nitsche mit den Achseln, „aber wir leben in einer total sexualisierten Welt.“

Teilweise werden Festplatten rund um die Uhr ausgewertet, auf mehreren Bildschirmen gleichzeitig. Teilweise handelte es sich um Pornos, die schon seit Jahren auf Tauschbörsen im Internet gehandelt werden. Wenn es sich um Fälle handelt, in denen die Täter bereits verurteilt worden sind, gehen die Ermittlungsergebnisse zurück an die zuständigen Polizeibehörden. Denn im Fall von Kinderpornografie ist schon der Besitz strafbar.

Doch immer wieder tauchen auch neue Filme im Netz auf. Die kommen vor allem aus Thailand, der Ukraine und Russland. Nitsche: „Als 2004 in Thailand der Tsunami stattfand, waren Beamte des BKA dort, um bei der Identifizierung der Toten zu helfen. Während die noch bei der Arbeit waren, wurden am Strand schon die Wellblechbuden für die Prostituierten wieder aufgestellt.“ Gerade aus Thailand kommen viele privat gedrehte Filme, die auf Umwegen in die Tauschbörsen der Pädophilen gelangen. In den Fällen sind die Chancen der Fahnder gut, an die Täter zu kommen. Schwieriger sieht es in der Ukraine und Russland aus, weil dort oft mafiöse Strukturen bestehen und es schwierig ist, die Server zu ermitteln, von denen das Material gesendet wurde.

Die Auswertung ist aufwändig: „Manchmal läuft zunächst ein ganz normaler Spielfilm. Und ab Minute 35 wechselt das Programm.“ Das kostet sehr viel Zeit. Für Helmut Nitsche endet die virtuelle Jagd im Oktober. Nach 43 Dienstjahren geht er in Pension. Zurück in ein normales Leben. Wenn die Bilder aus der Vergangenheit ihn loslassen.