Der Rollator hat Kinderwagen im Straßenbild abgelöst
Die Zahl der Gehhilfen nimmt stetig zu. Ein Polizist bietet Übungsstunden für die Senioren an.
Düsseldorf. „Jetzt bin ich mit meinem Mercedes dran“, sagt Gisela Block und lacht. Die 84-Jährige schiebt ihren Rollator zu Joachim Tabath, der schon mit den Reflexionsstreifen auf sie wartet. Gleich vier Aufkleber bekommt Block auf ihre neue Gehhilfe. Dann zieht Tabath die Stirn kraus. „Ich glaube, wir müssen mal schauen, ob der Rollator für sie richtig eingestellt ist“, sagt der Polizist.
Die Griffe bei Gisela Blocks Rollator sind natürlich viel zu hoch, Tabath kennt das Problem: „Dann heißt es immer, ,mein Schwiegersohn hat das gemacht, der weiß, wie das geht’.“ Gisela Block stellt sich zwischen die Räder und lässt die Arme baumeln. Zwei Handgriffe des Verkehrssicherheitsexperten und die Griffe sind da, wo sie sein sollen: Auf Höhe des Handgelenks. Für Block ein ganz neues Fahrgefühl. „Wer hat Ihnen das denn so falsch eingestellt“, fragt Tabath. „Mein Schwiegersohn“, antwortet Block.
Die Zahl der über 75-Jährigen in Düsseldorf ist zwischen 1995 und 2010 um rund 7000 gestiegen. Und mit ihnen wächst die Zahl der Rollatoren im Straßenverkehr. Ein Grund für Joachim Tabath, sich regelmäßig mit Senioren zu treffen. Er zeigt ihnen, wie sie mit ihrem Rollator umgehen sollen — in Theorie und Praxis. Im Gerresheimer Zentrum Plus sind Gisela Block und ihre Damenclique über die Tipps und Tricks des Polizisten dankbar. Einige der Frauen sind ständig mit ihren „katholischen Kampfwagen“, wie der Seniorenclub St. Margareta die Rollatoren nennt, unterwegs. In Deutschland sind die Gehhilfen seit 20 Jahren auf dem Vormarsch, weiß Ulrike Schneider vom Seniorenbeirat: „Mittlerweile hat der Rollator den Kinderwagen im Straßenbild abgelöst.“ Der demografische Wandel ist nicht der einzige Grund: „Die Senioren schämen sich nicht mehr. Der Rollator hat seinen Hauch von Gebrechlichkeit verloren.“
Bei den Gerresheimer Seniorinnen geht es sogar darum, wer den am besten ausgestatteten Rollator hat. Da wandert ein neidischer Blick von Gisela Block zu Anna Steinmüller, die eine Klingel an ihrem Rollator hat. „So eine brauche ich auch. Oder eine Hupe“, sagt Block. Joachim Tabath hat in Sachen Styling das Deluxe-Model. Sein Rollator hat Blaulicht und Martinshorn.
Ganz einfach ist es im Straßenverkehr nicht immer. Kopfsteinpflaster und hohe Bordsteinkanten können zum unüberwindbaren Hindernis werden. „Die Mitglieder des Seniorenbeirats kämpfen dafür, dass weitere Bordsteine abgesenkt werden“, sagt Schneider. Bei Neubauprojekten wird das auch berücksichtigt, sagt Andrea Blome vom Amt für Verkehrsmanagement: „Es ist aber manchmal nicht einfach, einen Kompromiss zu finden. Rollatorfahrer wollen, dass der Bordstein auf null abgesenkt wird. Sehbehinderte hingegen brauchen mindestens drei Zentimeter, um die Kante zu fühlen.“
Für Block ist der Rollator „Gold wert“ und verleiht Mobilität. Obwohl sie schon einen kleinen Unfall einstecken musste: „Ich habe mich im Bus auf meinen Rollator gesetzt. Als der Fahrer stark bremsen musste, bin ich gefallen.“ Als sie Tabath ihre blauen Flecken zeigt, gibt es Ärger: „Sie dürfen sich niemals auf den Rollator setzen. Das ist viel zu gefährlich.“ Block guckt zwar betreten, weiß aber, dass der Polizist recht hat. Aber dafür ist er ja auch da.