Der Weingärtner von Itter

Bernd Bolten ist Freizeitwinzer. Er rechnet mit der frühesten Traubenernte seit vielen Jahren.

Düsseldorf. Wer derzeit in die Garage von Bernd Bolten an der Huvestraße 41 in Itter möchte, muss seinen Kopf einziehen. Denn fast in Mundhöhe hängen dicke, dunkle Trauben. Der Rebenzweig, der sich elegant unter der Traufe von einer Garagenwand zur anderen schwingen sollte, trägt mittlerweile so schwer an seiner Früchtelast, dass er provisorisch mit zwei stämmigen Ästen abgestützt werden muss.

In den letzten Jahren hatte regelmäßiges Hochbinden durchaus ausgereicht, aber diesmal hat die frühe und reichhaltige Weinblüte, verbunden mit dem feuchten Sommer, die Trauben der Sorte Regent quasi explodieren lassen. „Im Winter werde ich für den Weinstock ein stabiles Stützgerüst bauen“, zieht Bolten die Konsequenzen.

Ein Weinstock voller Trauben am Hauseingang ist Bolten wichtig. „Er soll als Schauweinstock anzeigen, wo der Winzer wohnt“, sagt er. Denn Bolten betreibt im Nebenerwerb nicht nur einen Weinhandel, sondern baut im hinteren Garten auch Wein an.

Als Weinbauer versteht er sich allerdings nicht, eher als Weingärtner. „Schließlich stehen die Stöcke auf keinem Feld, sondern im Garten.“ In einem ziemlich bevorzugten Garten übrigens, denn auf der sonnigen Südfront erstreckt sich über die ganze Grundstückslänge eine Pferdeweide. Und das danken die Reben durch kräftiges Wachstum.

Als Bolten vor 23 Jahren dort seine 87 Rebstöcke der Sorten Spätburgunder, Riesling und Kerner setzte, anstatt wie die Nachbarn Gemüse für den Eigenbedarf anzubauen, hatte man nur über ihn den Kopf geschüttelt.

Doch der Spott hat sich gelegt, denn der „Itterzwicker“, zu dem die Traubenernte von einem Winzer in der Pfalz verschnitten wird, ist nicht nur im Süden Kult. Rund 120 bis 160 Flaschen sind es je nach Witterung pro Jahr — und die sind meist schnell ausverkauft.

Die frühe Weinblüte und der viele Regen lässt auf einen guten und vor allem frühen Jahrgang hoffen. „Allerdings brauchen wir jetzt Sonne und nochmals Sonne“, sagt Bolten. Zuviel Feuchtigkeit schadet in diesem Stadium nur. Die Schwüle der letzten Tage ginge gerade noch, nur allzu viel regnen sollte es nicht mehr.

„Weinstöcke wurzeln tief und meine Weinstöcke sind alt genug, um ihren Feuchtigkeitsbedarf auch aus dem Grundwasser zu decken“, sagt Bolten. Der größte Feind neben Wespen und Vögeln seien derzeit die Pilzkrankheiten.

Die Vögel sollen Holzwindräder wie in der Südsteiermark verscheuchen, sogenannte Klapotetze. Gegen Wespen hat Bolten zum ersten Mal blaue Netze gespannt. „Angeblich mögen Wespen kein Blau, ich bin mal gespannt“, sagt er. Nur gegen den Pilz spritzt er notgedrungen Gift.

Denn es gibt einen speziellen Pilz, der den Saft des reifen Spätburgunders in Essig verwandelt. Einige befallene Trauben könnten die ganze Charge verderben. Den schneller reifenden Spätburgunder früher zu pflücken als die weißen Trauben Riesling und Kerner bringe auch nichts, denn gerade die Mischung aus dem überreifen Burgunder und den anderen Trauben gibt dem Wein aus Itter seinen spezifischen Geschmack.

Rund einen Monat müssen die Trauben noch am Stock hängen, dann kann geerntet werden. „Es wird wohl einer der frühesten Erntezeitpunkte überhaupt“, sagt Bolten, der auch schon einmal erst Mitte Oktober zur Ernte schreiten konnte.

Am Schauwein vor der Tür darf übrigens jeder naschen: Vögel, Wespen, der Postbote und Passanten. Die Trauben sind nicht nur groß, sondern auch süß und saftig und mit wenig Kernen versehen. Delikate Esstrauben eben, die signalisieren: Hier wohnt der Winzer aus Itter.