Interview „In zehn Jahren ist die Hälfte der Kneipen weg“

Düsseldorf · Immer mehr Eckkneipen müssen aufgeben. Der Düsseldorfer Wirt Kurt Barb sagt, warum.

Kurt Barb betreibt die Kneipe „Kupe“.

Foto: David Young

Ein jeder kennt sie und auch fast jeder war schon einmal in der Kneipe um die Ecke. Doch ihre Zahl geht immer weiter zurück. Das liegt an vielen Dingen. Unter anderem daran, dass junge Leute die Eckkneipe meiden. Dort ist es ihnen zu langweilig und zu spießig. Man geht lieber in eine Shisha-Bar oder in eine Lounge zum Chillen, neudeutsch für Entspannen. Außerdem setzte das Rauchverbot den Eckkneipen besonders hart zu, denn dort ist der Anteil der Raucher immer besonders hoch gewesen.

Jetzt kommt der nächste Schock auf die Wirte zu. Zum 10. November tritt eine Verordnung zur Reduzierung der Spielautomaten in gastronomischen Betrieben von drei auf zwei Geräte in Kraft. Die letzten aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2014 der DeHoGa NRW (Deutscher Hotel und Gaststättenverband) zeigen, dass sich die wirtschaftliche Situation verschlechtert hat. „Von 1994 bis 2014 ging die Zahl der reinen Schankbetriebe in NRW von 21 165 auf 8665 zurück. Nur noch Getränke und Kommunikation anzubieten reicht nicht mehr. Die Menschen wollen unterhalten werden. Eine Eckkneipe als reine Begegnungsstätte zu betreiben ist kaum noch möglich“, erklärt Thorsten Hellwig, Sprecher des Verbandes. Die WZ sprach mit Kurt Barb über die Situation der Eckkneipen. Der 51-Jährige ist ein Kind der Gastronomie. Angefangen hat er als Kellner, bis er sich vor 24 Jahren erstmals mit dem Lokal „Em Salönke“ selbstständig gemacht hat. Seit 19 Jahren führt er inzwischen das „Kupe“ auf dem Oberbilker Markt.

Herr Barb, gehören Sie zu einer aussterbenden Art?

Kurt Barb (lacht): Was die Gastronomie angeht, auf jeden Fall.

Wie hat sich die Eckkneipe in den letzten Jahren verändert?

Barb: Das ‚Salönke‘ war einmal jeden Tag voll. Es herrschte eine Wohnzimmeratmosphäre und jeder kannte jeden. Im Jahr 2000 bin ich dann in das ‚Kupe‘ gewechselt und dort hatte ich die ersten fünf bis sechs Jahre ähnlich viel zu tun. Man brauchte nur die Tür aufzuschließen und schon war der Laden voll. Man konnte sich eigentlich nicht dagegen wehren, viel Geld zu verdienen. Danach ging es allerdings sehr schnell  bergab. Den nächsten deutlichen Abschwung gab es dann 2013 mit dem absoluten Rauchverbot in Kneipen und Gaststätten. Aber das betrifft viele Kneipen hier in Oberbilk. Das kann man auch an den häufigen Pächterwechseln erkennen. Die meisten machen nach ein bis zwei Jahren wieder zu.

Befürchten Sie mit der Reduzierung der Spielautomaten weitere Umsatzeinbußen?

Barb: Das ist ziemlich sicher. Die Spielautomaten müssen nämlich die Pacht für den Gastronomiebetrieb einbringen. Denn von dem Bierverkauf können wir schon lange nicht mehr leben.

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass immer weniger Leute kommen?

Barb: Das hat viele Gründe. Die Menschen haben deutlich weniger Geld zur Verfügung als früher. Vor allem die hohen Mieten belasten das Budget. Die jungen Leute spielen lieber am Computer oder besuchen Shisha Bars. Dadurch steigt natürlich auch das Durchschnittsalter in den Eckkneipen immer weiter und das lässt die Begeisterung der Jüngeren auch nicht unbedingt ansteigen. Auch der Dart-Boom in den Kneipen lässt nach. Früher hatte ich sieben Mannschaften. Jetzt sind es nur noch drei Teams. Und auch dort steigt das Durchschnittsalter der Spieler immer weiter an, weil es immer weniger Nachwuchs gibt. Außerdem gibt es in der Stadt immer mehr Veranstaltungen. Dann treffen sich die Leute zwar hier in meiner Kneipe und trinken ein bis zwei Bier, fahren dann aber in die Stadt und trinken dort weiter.

Der Biermarkt in Düsseldorf ist in Bewegung. Immer mehr Betriebe wechseln zu den Düsseldorfer Hausbrauereien. Ist das auf für Sie ein Thema?

Barb: Die Qualität des Bieres der Hausbrauereien ist sicherlich besser. Solange sich meine Gäste nicht beschweren bleibe ich aber bei Frankenheim. Wir arbeiten schon lange zusammen und haben ein gutes Vertrauensverhältnis. Außerdem biete ich Schlüssel Alt als Alternative in Flaschen an. Zumal ich für ein Alt der Hausbrauereien die Preise um etwa 20 Cent pro 0,2-Liter-Glas erhöhen müsste, weil das Bier im Einkauf viel teurer ist. Und das lässt sich in Oberbilk nicht durchsetzen. Allerdings ist der Altbierabsatz um etwa zehn bis 15 Prozent zurückgegangen. Dafür wird mehr Pils und Weizenbier getrunken.

Wie vergleichbar sind Ihre Arbeitszeiten mit dem eines normalen Arbeitnehmers?

Barb: Über die 40-Stunden-Woche kann ich nur lachen. Zwölf bis 14 Stunden am Tag sind normal. Zudem haben wir den Montag als Ruhetag aufgegeben, weil wir den Umsatz benötigen. Und Urlaub ist nicht drin, weil der immer doppelt so viel kostet, weil man ja in dieser Zeit einen höheren Personalaufwand hat und dafür viel Geld ausgeben muss. Und wenn man mal außergewöhnliche Belastungen wie eine kaputte Kaffeemaschine oder Lüftung hat, dann wird es ganz schwer. Das sind Zusatzkosten die richtig reinhauen.

Was können Sie denn persönlich verändern, um ihre Kneipe wieder attraktiv zu machen?

Barb: Ich habe auch eine Ausbildung als Metzger und Koch und daher werden wir in der Zukunft auch eine Küche mit kleinen Speisen anbieten.

Wie lange wollen Sie den Job überhaupt noch machen?

Barb: Nun ja, ich bin ja auch Wirt aus Leidenschaft und so lange meine Gesundheit noch mitspielt, werde ich auch noch hinter der Theke stehen.

Würden sie heute noch einmal eine Kneipe aufmachen?

Barb: Auf gar keinen Fall. Ich kann nur jedem davon abraten. Die meisten haben keine Ahnung was das bedeutet: kaum Freizeit und wenig Geld. Früher konnte man noch ahnungslos sein und Fehler waren bezahlbar, weil der Umsatz stimmte, das sind sie heute nicht mehr. Zumal es immer mehr behördliche Auflagen gibt, besonders im Lärmschutz, die einem das Leben als Wirt  schwer machen. Da wird aus dem Traum schnell ein Albtraum. Auch die Gebühren für die Fußball-Übertragungen sind stark angestiegen.

Wie wird sich der Zahl der Kneipen in der Zukunft entwickeln?

Barb: Ich schätze, dass in zehn Jahren etwa 50 Prozent aller Kneipen in Düsseldorf verschwunden sind.