Gewalt in der Düsseldorfer Altstadt Polizei: Junge Leute wollen durch Waffengebrauch Distanz herstellen
Düsseldorf · Nach einem Messerangriff schwebt das 25-jährige Opfer nicht mehr in Lebensgefahr. Fünf Verdächtige sind wieder auf freiem Fuß.
Einen Tag nach einem Messerangriff auf einen 25-Jährigen hat die Polizei fünf Verdächtige wieder auf freien Fuß gesetzt. Die volljährigen jungen Männer waren am frühen Sonntagmorgen in Tatortnähe festgenommen worden. Der dringende Tatverdacht habe sich jedoch bei keinem von ihnen erhärtet, hieß es von der Staatsanwaltschaft am Montag. Die Ermittlungen gingen aber weiter, die Mordkommission werte derzeit Videoaufnahmen aus Überwachungskameras aus, die die Polizei in der Altstadt installiert hat. Es besteht weiterhin der Verdacht des versuchten Totschlags.
Klar ist bislang: In der Nacht zu Sonntag war gegen 4 Uhr in der Bar Isla de Cuba an der Bolkerstraße ein 25-Jähriger mit einer Gruppe junger Männer in Streit geraten und mit einem Messer lebensgefährlich verletzt worden. Polizisten retteten ihn am Tatort vor dem Verbluten. Der junge Mann wurde in ein Krankenhaus gebracht und notoperiert. Sein Zustand war bei Einlieferung in die Klinik zunächst kritisch. Am Montag hatte er sich stabilisiert – er schwebt mittlerweile nicht mehr in Lebensgefahr, befindet sich aber immer noch zur stationären Behandlung in einer Klinik, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit.
Der Messerangriff fügt sich in eine Reihe von Gewalttaten in den vergangenen Monaten in Düsseldorf ein – vor allem in der Altstadt kommt es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Häufig sind Messer im Spiel, obwohl die Gassen der Altstadt und das Rheinufer seit etwa einem halben Jahr eine Waffenverbotszone sind. Das ermöglicht der Polizei anlasslose Kontrollen und auch das Einziehen von Messern mit kürzeren Klingen, die normalerweise nicht verboten sind. Seit Einführung der Waffenverbotszone hat die Polizei hier nach eigenen Angaben mehr als 3000 Kontrollen durchgeführt und rund 100 verbotene Waffen sichergestellt und vernichtet.
Dabei hat sich auch gezeigt, wie sich die Waffenproblematik hochschaukelt: Denn viele Jugendliche bewaffnen sich offenbar, um sich selbst verteidigen zu können. Das hätten mehrere kontrollierte Personen angegeben, so die Polizei. Diese Erfahrung hat auch Streetworker Tiemo Imhof gemacht. „Bei den wenigsten jungen Menschen ist der Wille da, mit einem Messer in die Altstadt zu gehen und jemanden anzugreifen“, sagt Imhof. Viele wollten die Waffe nutzen, um andere in Konflikten auf Distanz zu halten, damit sie selbst gar nicht erst angegriffen werden. Wenn das Messer jedoch erst einmal in der Tasche steckt, sei der Weg kurz, es auch einzusetzen. Das passiere auch aus dem Wissen heraus, dass andere Altstadt-Besucher ebenfalls ein Messer mit sich tragen, sagt der Streetworker. Hier gebe es auch Normalisierungseffekte – ein Messer dabei zu haben, Täter oder Opfer zu werden, sei in einigen Gruppen gang und gäbe. Wie schwerwiegend die Folgen sein können, sei vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen dabei gar nicht bewusst.
Seit Mitte Mai sind die Streetworker von „Kohleg“, einer gemeinnützigen Genossenschaft, abends und nachts an den Wochenenden in der Altstadt unterwegs, um Kontakt zu den jungen Menschen aufzubauen und langfristig Jugendliche mit Problemen in der Familie, in der Schule, im Job, mit Gewalt- oder Drogenerfahrung an die Jugendsozialarbeit zu vermitteln. Das Streetworker-Team wurde aus dem Projekt „Sicherheit in der Innenstadt“ von der Stadtverwaltung mit dieser Aufgabe betraut, zunächst befristet bis zum Ende des Jahres. Ebenfalls Teil des Projekts ist die gemeinsame Anlaufstelle von Polizei und Ordnungsdienst am Rathausufer 8.
Werden Personen in der Verbotszone mit Waffen kontrolliert, droht je nach Schwere des Vergehens ein Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat. Wie hoch die Bußgelder ausfallen, sei abhängig von den Umständen, heißt es von der Polizei. Die Bußgelder beginnen bei 150 Euro für einfache Verstöße, Wiederholungstäter müssen mit deutlich schärferen Konsequenzen rechnen, hier reichen die Strafen bis zu 10 000 Euro, so ein Polizeisprecher. Bislang habe es aber noch keine Wiederholungsfälle gegeben.
Auch die Wirtin der Bar Isla de Cuba Mirna Campo Gonzalez sagt, dass sie schon länger ein „großes Gewaltproblem“ in der Altstadt beobachte, „besonders nach Mitternacht, insbesondere ausgehend von jüngeren Männern“. Auch deshalb setze sie Sicherheitspersonal ein, dass die Gäste kontrolliere. Sie sei zudem sehr geschockt über die Geschehnisse in der Nacht zu Sonntag. „Glücklicherweise befindet sich das Opfer auf dem Weg der Besserung.“
Info Die Polizei sucht weiterhin Personen, die die Tat am frühen Sonntagmorgen beobachtet haben. Zeugen werden gebeten, sich unter der Telefonnummer 0211/8700 zu melden.